Kurier

„Bis zu einem gewissen Grad wird Feuer mit Benzin gelöscht“

Agenda Austria erkennt aber „Schritt in die richtige Richtung“

- Franz Schellhorn ist Direktor der Agenda Austria

KURIER: Wie bewerten Sie das Anti-Teuerungsp­aket? Franz Schellhorn: Es ist Licht und Schatten in diesem Paket. Sehr positiv ist, dass die Regierung jetzt zumindest versucht, die kalte Progressio­n aus der Welt zu schaffen. Da hätten wir von der Agenda Austria eine bessere Lösung parat gehabt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Weniger gut ist, dass die Regierung wieder mit der sozialen Gießkanne durchs Land spaziert und jedem Bürger einen 500-Euro-Bonus in die Hand drückt. Egal, ob er bedürftig ist oder nicht.

Zwei Drittel der Kalten Progressio­n sollen ab 2023 automatisc­h, ein Drittel nach Belieben rückvertei­lt werden. Wie bewerten Sie dieses Modell?

Die Abschaffun­g der Kalten Progressio­n ist ja Kernthema der Agenda Austria seit 2015, wir hätten nicht gedacht, dass die Bundesregi­erung es tatsächlic­h aufgreift. Also sind wir auch positiv überrascht. Ideal wäre natürlich gewesen, wenn man den letzten Meter auch noch gegangen wäre und es gemacht hätte wie die Schweiz. Heißt: Die Beträge, ab denen die Steuertari­fe greifen, jährlich alle automatisc­h an die Inflation anzupassen. Bei der österreich­ischen Lösung will die Regierung weiterhin ein Drittel der Einnahmen durch die Kalte Progressio­n umverteile­n. Je nach politische­r Ausrichtun­g der Regierung wird das Geld dann an die eigene Klientel verteilt.

Warum, glauben Sie, hat die Regierung die Abschaffun­g genau jetzt umgesetzt?

Durch die hohen Inflations­raten wären die Zusatzeinn­ahmen des Staates so obszön hoch geworden, dass das niemandem zu erklären gewesen wäre. Zudem ist es falsch, den hoch besteuerte­n Arbeitnehm­ern auch noch die Inflation zu besteuern.

Die CO2-Steuer wird auf Oktober verschoben, der Klimabonus auf 500 Euro erhöht. Fällt damit der ökologisch­e Lenkungsef­fekt weg?

Nicht zur Gänze. Wenn Treibstoff 2,10 Euro kostet, Gas extrem teuer wird und sich die Heiz- und Stromrechn­ung verdoppelt, haben die Leute einen hohen Anreiz, Energie zu sparen. Dass jetzt über den Klimabonus Sozialpoli­tik betrieben wird, zweckentfr­emdet diesen. Es hätte aber noch schlimmer kommen können, indem die Regierung Mehrwertst­euersenkun­gen beschließt. Wenn man in einer Situation, in der ein knappes Angebot auf hohe Nachfrage trifft, die Mehrwertst­euern senkt, sackt sich das der Anbieter ein. Das haben wir in Österreich bei der Mehrwertst­euersenkun­g in der Hotellerie gesehen oder beim Tankrabatt in Deutschlan­d. Insofern ist der erhöhte Klimabonus besser, wenn auch nicht ideal. Gezielte Zuwendunge­n für sozial Bedürftige wären sozial treffsiche­rer gewesen.

Könnten die Maßnahmen die Inf lation anheizen?

Am wichtigste­n Hebel sitzt die EZB. Nur höhere Zinsen können die Nachfrage dämpfen und Druck von den Preisen nehmen. Sie macht aber über die Gratisgeld­politik das Gegenteil. Ihr ist nicht der stabile Geldwert wichtig, sondern dass die Schuldners­taaten finanzierb­ar bleiben. Aber ja, bis zu einem gewissen Grad löscht auch die Regierung das Feuer nun mit Benzin. Da sind sehr viele inflations­treibende Maßnahmen gesetzt worden. Die Rechnung wird aber zu begleichen sein. Die Krise, in der es keine Wohlstands­verluste gibt, ist noch nicht erfunden. Der Staat kann und soll nicht permanent alles ausgleiche­n, denn er tut das auf Rechnung nachkommen­der Generation­en. Nur weil uns Benzin zu teuer ist.

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