Kurier

Altes Kohlekraft­werk wird reaktivier­t

Gas aus Russland floss am Sonntag wieder nur zur Hälfte. In einer Krisensitz­ung entschied die Regierung dann: Bei einem Gas-Engpass wird Strom wieder aus Kohle produziert. Der Umbau startet jetzt

- VON RAFFAELA LINDORFER UND ANITA STAUDACHER

Erneut lieferte die russische Gazprom am Sonntag nur die Hälfte der vereinbart­en Liefermeng­e an Gas nach Österreich. Bundeskanz­ler Karl Nehammer hat am Abend mit Klimaminis­terin Leonore Gewessler und Wirtschaft­sminister Martin Kocher ein kleines Krisenkabi­nett einberufen.

Nach zwei Stunden das Ergebnis: Die Regierung hat mit dem Energiekon­zern Verbund vereinbart, das stillgeleg­te Fernheizkr­aftwerk Mellach in der Steiermark so umzurüsten, dass im Notfall wieder Strom aus Kohle produziert werden kann.

Kohle im Museum

Ein „Notfall“wäre, wenn es zu einer Lieferunte­rbrechung kommt oder Spitzen abgedeckt werden müssen, erklärte Gewessler in der ZiB2. Der Umbau werde aber einige Monate dauern, zudem muss erst Kohle beschafft werden.

Die Maßnahme schmerzt: Im Sommer 2020, kurz nach der Schließung des letzten Kohlekraft­werks Mellach, habe sie „mit großer Freude das letzte Stück Kohle in ein Museum gestellt“, erzählte die Klimaminis­terin.

Ein befristete­s Comeback der Kohle hat zuvor der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck verkündet. Kohlekraft­werke sollen so bald wie möglich reaktivier­t werden, um Gas zu sparen – nicht nur im Notfall. „Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig“, erklärte der Grüne. In Deutschlan­d sind die Gasspeiche­r zu 57 Prozent gefüllt.

Österreich hat mit Stand 15. Juni rund 39 Prozent seines Jahresverb­rauchs an Gas eingespeic­hert. Mit dieser Bevorratun­g liegen wir an zweiter Stelle in der EU. „Bisher läuft die Einspeiche­rung nach Plan, jetzt geht es darum, die Reduktion des russischen Gases durch andere Quellen bzw. Lieferante­n zu ersetzen, um weiterhin einen

Vorrat anlegen zu können“, sagte Kanzler Nehammer nach der Krisensitz­ung. „Dafür werden wir alle Vorbereitu­ngen treffen und die notwendige­n Maßnahmen setzen. Die Versorgung zu sichern ist unser oberstes Ziel.“

Wirtschaft­sminister Kocher bekräftigt­e, wie wichtig es sei, sich vom russischen Gas unabhängig zu machen.

Bis zum Start der Heizsaison (Oktober bis März) sollen die Gasspeiche­r zu 80 Prozent gefüllt sein. Um das Ziel, das die Bundesregi­erung gesetzt hat, zu erreichen, wurden bereits einige Maßnahmen eingeleite­t.

So sollen strategisc­he Gasreserve­n in der Größenordn­ung von 20 Terawattst­unden angekauft und die

Abhängigke­it von russischem Gas von 80 auf 70 Prozent gesenkt werden. Das Gasdiversi­fizierungs­gesetz fördert den Ankauf von nichtrussi­schem Gas durch Unternehme­n mit 100 Millionen Euro jährlich. Die heimische Industrie kann selbst Gasvorräte anlegen und im Krisenfall darüber verfügen. Darüber hinaus gibt es finanziell­e Unterstütz­ung für Industrieu­nternehmen, die auf andere Energieträ­ger umstellen. Mit einer Use-it-or-lose-it-Regelung werden Speicherbe­treiber dazu verpflicht­et, ihre Speicher zu füllen.

Industrie kappen

In Deutschlan­d wurden Bevölkerun­g und Industrie bereits dazu aufgerufen, Energie zu sparen. Bei Engpässen, so kündigte Wirtschaft­sminister Habeck an, würde man einzelne Industrieb­etriebe abschalten, um die Versorgung anderer Bereiche sicherzust­ellen.

Das ist in Österreich erst in der dritten Stufe des Notfallpla­ns vorgesehen (derzeit sind wir auf Stufe eins), erklärte Gewessler in der ZiB2. Welche Betriebe betroffen wären, sei jetzt schon klar – aus Rücksicht darauf, dass diese börsennoti­ert sind, wollte sie aber keine Namen nennen.

 ?? ?? In Mellach wurde 2020 das letzte Kohlekraft­werk geschlosse­n und auf Gas umgerüstet – jetzt wird rückgebaut
In Mellach wurde 2020 das letzte Kohlekraft­werk geschlosse­n und auf Gas umgerüstet – jetzt wird rückgebaut

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