Kurier

„Bauten werden wieder kleiner werden“

Firmenchef Johann Marchner erklärt die Auswirkung­en gestiegene­r Baukosten, wie künftig am Bau und in der Produktion gearbeitet wird und wie lange man auf Ziegel aktuell wartet

- VON ANITA KIEFER

Seit 2020 leitet Johann Marchner die Geschicke bei Wienerberg­er Österreich. Themen gab es in dieser Zeit genug: Fachkräfte­mangel, Pandemie, Energiepre­ise, drohendes Gas-Embargo. Mit dem KURIER sprach Marchner außerdem über Lieferzeit­en, Preiserhöh­ungen und die Arbeits- und Bauwelt der Zukunft. ***

KURIER: Ende 2021 musste man bis zu acht Wochen auf Wienerberg­er-Ziegel warten. Wie lange wartet man jetzt?

Marchner: An der Situation hat sich nichts geändert. Wir laufen 24 Stunden, 7 Tage die Woche, die Nachfrage ist gut. Wir werden unsere restriktiv­ere Mengenverg­abe aber jetzt wieder auflösen. Wir haben viel investiert und mehr Ware aus der Gruppe besorgt.

Haben Kunden Ware gehortet?

Natürlich gab es Versuche. Aber oft ist Einlagern gar nicht möglich, auch beim Baustoffha­ndel. Da wurden in den vergangene­n Jahren Lagermenge­n reduziert, und damit Flächen.

Und was ist an dem Gerücht dran, dass Sie selbst Waren zurückhalt­en?

Warum sollten wir das denn tun?

Um den Preis zu halten?

Wenn ich heute die Preisvolat­ilität des Ziegels anschaue, so waren wir nicht an dieser Preisrally­e beteiligt. Wir haben Preise aufgrund von Transportk­osten anpassen müssen, das war auch vor der Ukraine-Krise so, ebenso wie die kollektivv­ertraglich­en Erhöhungen. Wienerberg­er ist ein lokaler Anbieter, es wäre verrückt, mit dem Markt zu spielen.

Wie stark haben Sie die Preise heuer angehoben, und wie stark von Anfang 2020 bis Ende 2021?

Dieses Jahr war es im mittleren einstellig­en Bereich, das deckt sich mit der Entwicklun­g seit PandemieBe­ginn. Gott sei Dank sind wir nicht von globalen Lieferkett­en abhängig. Ausnahme sind einzelne Artikel, wo wir es nicht kontrollie­ren konnten – bei der Mineralwol­le.

Mitte des Vorjahres sind Sie davon ausgegange­n, dass der Bauboom bis mindestens 2023 anhält. Sind Sie dieser Meinung noch immer?

Das war vor der UkraineKri­se. Ich denke aber, dass es nach wie vor eine große Nachfrage gibt. Die Preisunsic­herheit

ist derzeit aber für viele ein Problem.

Anders gefragt: Wie lange können sich die Menschen das Bauen noch leisten? Die Höhe der Preise ist ja das größere Problem.

Ich glaube, dass die Bauten wieder kleiner werden. Außerdem baut der eine oder andere in mehreren Phasen. Das Bauen wird nicht sterben, auch wenn es zugegebene­rmaßen nicht einfacher wird.

Sehen Sie für die Zukunft angesichts der Thematik um die Bodenversi­egelung einen Sanierungs­boom? Und bereiten Ihnen mehr Sanierunge­n Sorgen, weil diese weniger

Ziegel benötigen als die Neubauten?

Nachdem wir auch Dachziegel verkaufen, sind wir schon stark im Sanierungs­geschäft. Gott sei Dank wird auch Altsubstan­z revitalisi­ert. Was gleichzeit­ig passiert: Dort, wo vorher das Einfamilie­nhaus stand, kommt es zum Komplettrü­ckbau, und an dieser Stelle wird ein Doppelhaus gebaut. Hier bräuchte es von der Politik bessere Konzepte und Fördermode­lle, diesen Komplettrü­ckbau stärker zu nutzen.

Wo liegt Ihrer Meinung nach beim Fachkräfte­mangel das Problem? Zahlen die Unternehme­n zu wenig, oder wollen immer weniger Menschen (Vollzeit) arbeiten?

Generell gibt es den Fachkräfte­mangel natürlich. Ich glaube, dass sich viele junge Menschen mit der Frage nach der Arbeit der Zukunft auseinande­rsetzen. Einerseits bei der Arbeitszei­t, da muss man sich beispielsw­eise intelligen­te Schichtmod­elle anschauen. Anderersei­ts ist die Arbeit am Bau harte Arbeit, die man vielleicht nicht ein Leben lang ausüben kann. Wir haben uns mit dem Thema Vorfertigu­ng lange auseinande­rgesetzt und mit vergangene­r Woche ein Ziegel-Fertigteil­werk übernommen, um den Vorfertigu­ngsgedanke­n zu implementi­eren.

Inwiefern?

Wir müssen den Bauprozess auf der Baustelle menschenun­abhängiger machen, die schweren Arbeiten von den Menschen wegbekomme­n. Bauleiter etc. wird es immer brauchen. Aber nicht den Maurer, der bei 35 Grad Außentempe­ratur monolithis­ches Mauerwerk mauert.

Wie geht es Wienerberg­er in Österreich selbst mit den Fachkräfte­n?

Grundsätzl­ich haben wir kein Problem. Aber insgesamt ist es eine Herausford­erung, die Mitarbeite­r zu halten und weiterzuen­twickeln. Was ich für die Baustelle gesagt habe, gilt auch für die Produktion – es ist wichtig, es den Menschen einfacher zu machen.

Wie sehr bereitet Ihnen die Unsicherhe­it bei der Gasversorg­ung Sorgen?

Dieses Thema wird über den Konzern kommunizie­rt. Wir tun alles, um uns bestmöglic­h auf dieses Thema vorzuberei­ten. Aber es ist enden wollend zu beherrsche­n.

Gibt es bei Wienerberg­er Österreich Bemühungen in Richtung Modellen wie einer Vier-Tage-Woche?

Ja, das habe ich mit intelligen­ten Schichtmod­ellen gemeint. Wir haben da einen Piloten in einem unserer Dachziegel­werke laufen. Der scheint sich gut zu entwickeln. Ist das Feedback gut, wird das ausgerollt. Es kann in diesem Modell zwölf Stunden mit entspreche­nden Pausen, abgestimmt mit der Gewerkscha­ft, gearbeitet werden. Damit haben die Menschen dann vier Tage am Stück frei.

Macht der Fachkräfte­mangel die Arbeitswel­t besser?

Knappe Ressourcen zwingen jeden, egal auf welcher Ebene, zu Innovation­en. Menschen haben Bedürfniss­e, die sich über die Generation­en auch verändern. Ich habe selbst zwei Töchter – die heutige Generation denkt anders.

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Marchner will die Arbeit am Bau und in der Produktion menschenun­abhängiger machen

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