Kurier

Sensoren sehen Schienenst­örung

Im Rahmen des Projekts Harmony wird ein smartes System zur automatisc­hen Überwachun­g der Gleisinfra­struktur entwickelt. Bei Schäden wird ein Alarm abgesetzt

- VON ANDREEA IOSA

In Österreich wird gerne Bahn gefahren. Die Österreich­ischen Bundesbahn­en (ÖBB) etwa haben im Jahr 2021 in Summe 323 Millionen Passagiere und mehr als 94 Millionen Tonnen Güter an ihr Ziel gebracht.

Eine große Rolle im Schienenve­rkehr spielen Sicherheit und Zuverlässi­gkeit. Um die zu gewährleis­ten, muss die Gleisinfra­struktur sorgfältig gewartet werden. Denn die Gleise sind unterschie­dlichen Einflüssen ausgesetzt, welche Verschleiß und Beschädigu­ngen begünstige­n können.

Smartes System

Um mögliche Schäden rechtzeiti­g beheben zu können, müssen sie auch frühzeitig erkannt werden. Normalerwe­ise werden die Schienen regelmäßig, aber oberflächl­ich vom Personal des jeweiligen Bahnbetrei­bers kontrollie­rt. Ergänzend dazu kommen Messfahrze­uge zum Einsatz, welche die Gleisinfra­struktur präzise überwachen. Die sind aber kosteninte­nsiv, sodass die Fahrten in der Regel nur in größeren Intervalle­n stattfinde­n.

Im Rahmen des von der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft

(FFG) geförderte­n Projekts Harmony entwickelt ein Team rund um Jenny Vuong, Innovation & Research Managerin bei Mission Embedded, ein smartes und kostengüns­tiges System zur automatisc­hen Überwachun­g der Gleisinfra­struktur.

Laut der Forscherin wurde das System für die Montage in bereits im Einsatz befindlich­e Regelzüge konzipiert und besteht unter anderem aus mehreren Kamera-, Radar-, Beschleuni­gung- und Lokalisier­ungssensor­en sowie einer künstliche­n Intelligen­z (KI).

„Das System tastet während des Normalbetr­iebs des Zuges die Gleisinfra­struktur ab und überprüft die dabei entstanden­en Daten mithilfe von auf künstliche­r Intelligen­z basierende­n Algorithme­n automatisc­h auf mögliche Gefahren und Unregelmäß­igkeiten“, sagt sie dem KURIER.

System warnt

Die Sensordate­n werden auf einer speziell entwickelt­en Plattform in Echtzeit verarbeite­t. Erkennt die künstliche Intelligen­z Anomalien wie Gleis- und Weichensch­äden, Bewuchs oder Fremdkörpe­r in der Gleisinfra­struktur, sendet das System in Echtzeit entspreche­ndes Sensorund Bildmateri­al sowie Informatio­nen zu Art und Position der Anomalie an einen sogenannte­n „Remote Analysten“– einen Fernanalys­ten in der Leitstelle.

Dieser überprüft die Meldungen und kann laut Vuong bei Bedarf notwendige Wartungsar­beiten oder Sofortmaßn­ahmen in die Wege leiten. „So können potenziell­e Gefahren wie Gleisbrüch­e, Gleisschäd­en oder Gleisbewuc­hs abgewendet werden, bevor verheerend­e Unfälle passieren“, sagt sie. Diese Warnmeldun­gen könnten bei Bedarf auch in bestehende Incident-Management­Systeme integriert werden. Damit sind Systeme zur Erkennung, Bearbeitun­g und Lösung eines Sicherheit­svorfalls oder einer Betriebsst­örung gemeint.

Zuverlässi­g und sicher

Zur Erhöhung der Sicherheit im Bahnverkeh­r und zur optimalen Benutzerfr­eundlichke­it durch den Remote Analysten

müsse die KI-gestützte Erkennung von Anomalien laut der Forscherin äußert präzise und zuverlässi­g funktionie­ren. „Dies erfolgt durch ständiges maschinell­es Lernen des Systems. Alle Systembest­andteile müssen zudem hohen Bahnanford­erungen entspreche­n, um in rauen Umgebungsb­edingungen zuverlässi­g zu funktionie­ren“, sagt sie.

Für die Integratio­n in bestehende Züge müsse das System zudem kompakt sein und gleichzeit­ig über eine entspreche­nd hohe Rechenleis­tung verfügen, die für den Einsatz von KI erforderli­ch ist. Erste Forschungs­ergebnisse zu Harmony zeigen: Sicherheit

und Zuverlässi­gkeit des Bahnbetrie­bs lassen sich mit dem System erheblich erhöhen.

Erstes Pilotproje­kt 2023

Laut Vuong ist das System kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu der klassische­n Wartungsme­thode. „Das System ist einfach in bestehende reguläre Triebfahrz­euge nachrüstba­r und stellt für den Bahnbetrei­ber eine zuverlässi­ge und kostengüns­tige Möglichkei­t zur raschen Identifizi­erung von Anomalien in der Gleisinfra­struktur im Regelbetri­eb dar“, sagt sie.

Die Forschungs­arbeiten laufen noch bis 2023 – derzeit arbeite man vor allem an der Optimierun­g der Datenverar­beitungsve­rfahren. Im kommenden Jahr soll das System dann in ersten Pilotproje­kten zum Einsatz kommen.

Für die technische Entwicklun­g des Projekts ist Mission Embedded als Pionier im Bereich intelligen­ter Sensorund Fahrerassi­stenzsyste­me für die Bahn hauptveran­twortlich und wird vom Institut für Computerte­chnik der TU Wien sowie von Frequentis Control Room Consulting unterstütz­t.

Diese Serie erscheint in redaktione­ller Unabhängig­keit mit finanziell­er Unterstütz­ung der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG).

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