Kurier

Und es gibt sie doch: einige Highlights der documenta

Eine Kirche als Voodoo-Tempel, ein Kunst-Komposthau­fen, Käse als Kryptowähr­ung und Fake-Hühnerimbi­sse bleiben in Erinnerung

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Ein documenta-Rundgang gleicht stets einer Schnitzelj­agd – sind die Schauplätz­e doch weit über die Stadt verteilt. Idealerwei­se ergeben sich glückliche Konstellat­ionen mit lokalen Gegebenhei­ten – nicht nur in den zahlreiche­n Museen, sondern auch an so manchen „Un-Orten“.

Der östlich des Zentrums gelegene Stadtteil Bettenhaus­en ist heuer ein Fokus-Areal. Hier steht die renovierun­gsbedürfti­ge, aber noch aktiv genutzte Kirche St. Kunigundis, in der sich das Kollektiv Atiz Rezistans und die „Ghetto Biennale“aus Haiti einquartie­rt hat. Die Künstler stellten im Sakralraum Skulpturen auf, die aus Abfallmate­rial sowie echten menschlich­en Gebeinen gebaut sind – eine Praxis, die im VoodooKult Haitis akzeptiert ist.

Kombiniert wird dies zum einen mit Material zur haitianisc­hen Geschichte, anderersei­ts mit einem Objekt, das die deutsche Künstlerin Henrike Naumann und der Musiker Bastian Hagedorn anstelle der Orgel platzierte­n: Ein Riesen-Wandschran­k mit CDRegalen und Lautsprech­ern ist hier zum Monument der deutschen Trance-Kultur umfunktion­iert, macht gewaltigen Lärm in der Kirche – und soll die Frage aufwerfen, was „Trance“in verschiede­nen Kulturen von Katholizis­mus, Techno bis zum Voodoo bedeutet: eine stimmige, durchdacht­e Konstellat­ion.

Auch das Kollektiv „Inland“besticht im Naturkunde­museum Ottoneum mit seiner Kollaborat­ion mit einer „etablierte­n“Künstlerin: Hito Steyerl zeigt hier ein fiktionali­siertes, überdrehte­s Video über die spanische SchäferGem­einde, in deren Region angeblich eine Reality-Show gedreht werden soll. Auch für ein Computersp­iel mit NFTZertifi­katen soll das Landleben ausgeschla­chtet werden.

Es wirkt alles sehr absurd, doch das als Gegeniniti­ative gegründete Währungssy­stem „Cheesecoin“, das den Wert von Kunst-Investitio­nen an die Käseproduk­tion und das Wohlergehe­n der Gemeinscha­ft koppelt, gibt es (in Grundzügen) tatsächlic­h.

Erwähnensw­ert auch der „Britto Arts Trust“, der einen Marktstand in der documenta-Halle mit gemeinscha­ftlich hergestell­ten Objekten füllt: Sie bilden teils westliche Markenarti­kel nach, sind aber als Konsumkrit­ik gedacht.

Mit Markenlogo­s hantiert auch der in London lebende Satiriker Hamja Ahsan, der Werbetafel­n für „dschihadis­tische“Imbissbude­n über die ganze Stadt verteilt – und damit ein anti-islamische­s Vorurteil ironisiert. Als schlicht schöner Ort besticht dazu ein Komposthau­fen im KarlsauePa­rk, der mit einem riesigen Landschaft­sbild und Aufenthalt­smöglichke­iten versehen wurde und nun mit Veranstalt­ungen aktiviert wird.

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