Kurier

Schwimmfre­unde fürs Leben

Die 21-jährige Niederöste­rreicherin greift am Mittwoch in der Staffel noch einmal an. Bei der WM in Budapest teilt sie mit Kumpel Felix Auböck Freuden und Tränen

- AUS BUDAPEST SILVANA STRIEDER

Wellen im Wasser beschreibe­n das Leben von Marlene Kahler am besten. In den letzten Tagen durchlebte sie mit ihrem engsten Freund Felix Auböck dessen Höhen und Tiefen. „Egal was passiert, du bist immer meine Nummer eins“, sagte die 21-Jährige in einem ruhigen Moment zu Auböck, der über die 400 Meter Freistil knapp eine Medaille verpasste. „Felix ist einer, der gern seine Gedanken für sich behält. Der vierte Platz hat ihn aber noch stärker gemacht, weil schau dir an, jetzt schwimmt er wieder in einem Finale.“Für die Niederöste­rreicherin waren die vergangene­n zwölf Monate gleicherwe­ise ein Auf und Ab.

Bei ihrem Olympiadeb­üt in Tokio erreichte die Schwechate­rin unter anderem über die 400 Meter Freistil den 17. Platz und knackte einen zwölf Jahre alten österreich­ischen Rekord. Nur zwei Wochen später packte sie ihre Koffer, verabschie­dete sich von Familie und Freunden, um nach Los Angeles zu ziehen. Dort erhielt sie ein Vollstipen­dium an der University of Southern California. Der Weg in die USA war für sie die beste Entscheidu­ng, obwohl studieren „nie so meins“war. Eigentlich wollte Marlene Kahler Pilotin oder Fluglotsin werden und hat „oft darüber nachgedach­t, nach den Spielen aufzuhören. Ich wusste nicht, ob ich noch zu 100 Prozent hinter dem Sport stehen kann, weil du wirklich alles dem unterordne­n musst, um gut abliefern zu können“, erklärt die niederöste­rreichisch­e Nachwuchss­portlerin des Jahres 2021. Das Studium gab ihr einen Perspektiv­enwechsel.

„Das letzte Jahr war nur Schwimmen, Schlafen, Essen. Das kann man kein Leben lang machen, irgendwann geht das Leben auch nach dem Sport weiter.“

(Party-)Leben an der Uni

Viel Zeit, um Erlebtes aufzuarbei­ten, hatte Kahler bisher nicht. Bei der Schwimm-WM gesteht sie erstmals, dass sie „danach eine kleine Pause“braucht. Anfang August sitzt sie wieder im Flieger in die USA, weil das neue Semester startet. Und das ist wie in amerikanis­chen Filmen:

„Nach der Uni feiern wir ab und zu die typischen Studenten-Partys. In der Freizeit feuern wir die Football-, Baseballod­er Basketball­teams bei Spielen an oder schauen Serien auf Netflix.“Aktuell im Trend sind Stranger Things, die neue Formel-1-Serie und romantisch­e Dramen. „Dabei kann man ordentlich weinen, das hat immer etwas Befreiende­s“, sagt Kahler.

Auf der Uni nehmen die Professore­n viel Rücksicht auf den Sport und die Prüfungen sind zum Glück nicht allzu schwer. „Wir dürfen auch nicht mehr als 20 Stunden pro Woche trainieren, damit wir uns noch auf die Uni konzentrie­ren können.“Andere Sportarten versucht sie zu vermeiden: „Ich bin manchmal so unfähig und tu mir gerne weh“, sagt die BusinessSt­udentin und muss lachen. „Wenn ich was Neues ausprobier­e, kann ich danach gleich wieder zehn Stunden beim Physio ausmachen.“

Ein Leben im Becken

An die Schmerzen, die man nach mehr als zehn Jahren im Leistungss­port spürt, hat sich ihr „Körper längst gewöhnt.“Mit drei oder vier Monaten begann sie mit dem BabySchwim­mkurs in der Südstadt und arbeitete sich bis zur Elite hoch. „Ich schwimm’ schon mein ganzes Leben. Das ist ein besonderer Sport, weil man mit einem anderen Element klarkommen muss.“

Ob ihr das wieder gelingen wird, zeigt sie am Mittwoch mit der 200-Meter-Staffel. Im Einzel verpasste sie am Montag das Halbfinale, nahm das Ergebnis aber gelassen: „Ich schwimme in Budapest nie besonders gut, auf die Staffel freu ich mich aber, weil man die Freude teilen kann.“Und das hatte sie auch beim Finalrenne­n von Felix Auböck wieder vor.

„Ich bin die, die ganz vorne am Beckenrand steht. Mich wirst wieder laut schreien hören“, versprach sie.

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