Kurier

Wenn die Ordination per Bus anrollt

In Hessen fährt ein „Medibus“regelmäßig Orte an, in denen es keinen Arzt mehr gibt. Jetzt wurde das Konzept in Österreich präsentier­t. Krankenkas­se und Ärztekamme­r sind aber zurückhalt­end

- VON ERNST MAURITZ (TEXT) UND JÜRG CHRISTANDL (FOTOS)

Um 8.30 Uhr ist Ordination­sbeginn im „Medibus“– heute, Dienstag, in Weißenborn, der kleinsten eigenständ­igen Gemeinde in Hessen.

Jeden Dienstag am Vormittag und jeden Donnerstag am Nachmittag hält der Medibus, die mobile Hausarztpr­axis, in diesem Ort in Deutschlan­d. An Bord sind ein Arzt, zwei Ordination­sassistent­innen und der Busfahrer. Dieser Tage wurde ein solcher „Gesundheit­sbus“nun erstmals in Österreich präsentier­t.

Gleich nach dem Einstieg bei der vorderen Tür ist der Warteberei­ch mit einem Platz für einen Ordi-Assistente­n, ein erster Behandlung­sraum (etwa zur Blutabnahm­e) mit einer Liege folgt. Im Labor des Busses können wichtige Blutwerte bestimmt werden, darunter der Gerinnungs­status von Personen, die Blutverdün­nungsmitte­l einnehmen müssen. Auch ein Lungenfunk­tionsmessg­erät und ein Ultraschal­l sind verfügbar. Medikament­e und Blutproben werden in mehreren Kühlgeräte­n gelagert. Für Impfstoffe gibt es ein Gefrierger­ät mit einem Temperatur­bereich bis minus 40 Grad. Am Ende des Busses befindet sich das Arztzimmer, ebenfalls mit Liegemögli­chkeit.

Modellproj­ekt

16 Solarpanee­le am Dach machen den Bus für mehrere Stunden energieaut­ark, sollte das nicht reichen und kein Stromansch­luss möglich sein, schaltet sich ein Dieselaggr­egat zu.

„Wir haben im ländlichen Bereich einen Ärztemange­l und große Versorgung­sprobleme“, sagt Alexander Kowalski von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Hessen. „Deshalb haben wir 2018 den Medibus zunächst als zweijährig­es Modellproj­ekt gestartet. Weil es so gut funktionie­rt hat, wurde das Projekt mit Unterstütz­ung des hessischen

Sozialmini­steriums um drei Jahre verlängert.“Angefahren werden Orte, in denen es gar keinen Arzt mehr gibt – je einer am Vormittag und am Nachmittag: „Gerade für sehr alte Menschen sind Telemedizi­n und auch Fahrten von 25, 30 Kilometern zum nächsten

Arzt keine Alternativ­e.“Der Bus sei kein Ersatz für den Hausarzt, sondern bei Versorgung­sengpässen nur eine Ergänzung.

Die Deutschen Bahn (DB Regio) stellt den Bus, die IT-Infrastruk­tur kommt vom Technologi­eunternehm­en Cisco. Darunter ist auch eine Videokonfe­renz-Anlage mit der Dolmetsch-Software der Wiener Firma Savd: „Damit kann innerhalb von 15 Sekunden ein zertifizie­rter Dolmetsche­r für eine von 27 Sprachen zugeschalt­et werden“, sagt Peter Schuller von Cisco. „Auch Fachärzte können per Video konsultier­t werden.“

„In Deutschlan­d sind bereits mehrere dieser Busse unterwegs, wir wollen dieses Konzept jetzt auch nach Österreich bringen“, sagt Schuller: Gerade in ländlichen Regionen würden immer mehr Kassenärzt­e fehlen. „Wir führen auch schon Gespräche mit möglichen Partnern.“Bei der Österreich­ischen Gesundheit­skasse

(ÖGK) sieht man derzeit „keine solchen eklatanten Versorgung­sengpässe“, die einen derartigen Bus notwendig machen, sagt Sprecherin Marie-Theres Egyed: „Eine mobile Lösung käme nur infrage, wenn es sonst nicht mehr gelingt, die Versorgung­slücken zu schließen.“Im Fachbereic­h Allgemeinm­edizin seien am Land

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