Befreiungsparty mit Green Day
Das Punk-Trio zeigte bei der „Hella Mega“-Show im Wiener Ernst-Happel-Stadion den 45.000 Zuschauern, wie viel Spaß eine gute Stadion-Rock-Show machen kann
Sonntagabend, 21.10 Uhr. Im Wiener Ernst-Happel-Stadion ist alles für einen tollen Konzertabend angerichtet: Das Wetter hält und es wird jetzt auch langsam kühler. Das Publikum giert nach der langen Corona-Pause nach Livemusik. Und Green Day, die jetzt nach den Auftritten von Weezer und Fall Out Boy diese „Hella Mega“-Show abschließen, sind einfach perfekt für einen ausgelassenen Stadion-Rock-Abend.
Schon beim Intro wird nämlich klar: Das Trio um Frontmann Billie Joe Armstrong weiß genau, wie man so ein Konzert für 45.000 Fans aufbaut. Noch bevor Green Day einen Ton gespielt haben, bringen sie mit der Einspielung des Queen-Hits „Bohemian Rhapsody“die Zuschauer so in Stimmung, dass die beim Mitsingen phasenweise sogar den Stadion-Sound übertönen.
Dann darf noch zum Ramones-Song „Blitzkrieg Bop“(der mit dem aufpeitschenden „Hey ho let’s go“-Refrain) ein Roadie in Hasenkostüm mit Bierflasche das „Drunken Bunny“mimen. Erst danach legen Green Day mit „American Idiot“und „Holiday“los – mit zwei ihrer berühmtesten Songs und besten Melodien. Die Aufforderung von Armstrong, dass die Leute verrückt spielen und die zwei Pandemiejahre abschütteln sollen, hätte es danach wirklich nicht gebraucht.
Spielfreude
Die Punk-Band, die Anfang der 90er-Jahre begann und sich in den Zehner-Jahren von eher hedonistischen Themen und humorvollen Selbst-Reflexionen ab- und politischen Inhalten zugewandt hat, hat nämlich noch viel mehr Songs, die ähnlich bekannt sind und genau die Qualitäten haben, die Stadion-Rock braucht: Eine druckvolle Basis von rasanten Rhythmen und punkigen Gitarren, abgerundet mit bewegten Melodien, die eingängig sind, ohne allzu simpel zu sein. Und wie schon seit Beginn der Karriere bringen Armstrong, Drummer Tre Cool und Bassist Mike Dirnt das auch hier im Stadion mit einer Spielfreude auf die Bühne, die unweigerlich mitreißt.
Das Programm konzentriert sich auf ältere Songs. Das jüngste, von Motown und Boogie beeinflusste Album „Father Of All“, das kurz vor der Pandemie erschienen ist und weder bei Kritikern noch Fans Eindruck hinterlassen hat, ignorieren Green Day hier. Stattdessen gibt es nach dem rasanten Beginn mit „Boulevard Of Broken Dreams“die erste kleine Atempause. Den sachten Stimmungsabfall bei einigen etwas weniger bekannten Songs im Mittelteil begegnen Green Day, indem sie ein Cover von „Rock And Roll All Nite“von Kiss dazwischen schieben.
Pop-Zitate
Überhaupt zitieren sie gerne andere Größen der Szene. Einmal spielt Armstrong kurz das Riff von „Ziggy Stardust“von David Bowie an, der Saxofonist später das Intro von „Careless Whisper“von Wham!. Er ist in der zweiten Hälfte dazugekommen, bringt (Stichwort: geschickter Show-Aufbau) jetzt Abwechslung in den Sound.
Aber auch die Band selbst sorgt immer wieder für Abwechslung: Es gibt ein furioses Drum-Solo und bei „Minority“ein Mundharmonika-Zwischenspiel von Armstrong.
Zu Beginn bei „Know Your Enemy“hat sich er sich eine Sängerin aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Jetzt nach „21 Guns“sucht (und findet) er jemanden, der Gitarre spielt: „Etti“(oder so ähnlich) macht das hervorragend und genießt es sichtlich, auf der Riesenbühne zu stehen. Mit „Basket Case“und der Ballade „Wake
Me Up When September Ends“geht es ins Finale.
Und nach dem akustisch vorgetragenen „Good Riddance (Time Of Your Life)“ist die Show auch schon wieder vorbei.
Gefühlt ist das viel zu früh. Denn Green Day bieten ein Rundumpaket, das großen Spaß macht. Noch so viel mehr, jetzt, wo man es nach zwei Jahren in den eigenen vier Wänden endlich wieder befreit und gemeinsam mit 44.999 Gleichgesinnten zelebrieren darf. Die Tatsache, dass der Sound im Ernst-Happel-Stadion nicht überall optimal war, geht in dieser Freude unter.