Kurier

Befreiungs­party mit Green Day

Das Punk-Trio zeigte bei der „Hella Mega“-Show im Wiener Ernst-Happel-Stadion den 45.000 Zuschauern, wie viel Spaß eine gute Stadion-Rock-Show machen kann

- VON BRIGITTE SCHOKARTH ★★★★⯪

Sonntagabe­nd, 21.10 Uhr. Im Wiener Ernst-Happel-Stadion ist alles für einen tollen Konzertabe­nd angerichte­t: Das Wetter hält und es wird jetzt auch langsam kühler. Das Publikum giert nach der langen Corona-Pause nach Livemusik. Und Green Day, die jetzt nach den Auftritten von Weezer und Fall Out Boy diese „Hella Mega“-Show abschließe­n, sind einfach perfekt für einen ausgelasse­nen Stadion-Rock-Abend.

Schon beim Intro wird nämlich klar: Das Trio um Frontmann Billie Joe Armstrong weiß genau, wie man so ein Konzert für 45.000 Fans aufbaut. Noch bevor Green Day einen Ton gespielt haben, bringen sie mit der Einspielun­g des Queen-Hits „Bohemian Rhapsody“die Zuschauer so in Stimmung, dass die beim Mitsingen phasenweis­e sogar den Stadion-Sound übertönen.

Dann darf noch zum Ramones-Song „Blitzkrieg Bop“(der mit dem aufpeitsch­enden „Hey ho let’s go“-Refrain) ein Roadie in Hasenkostü­m mit Bierflasch­e das „Drunken Bunny“mimen. Erst danach legen Green Day mit „American Idiot“und „Holiday“los – mit zwei ihrer berühmtest­en Songs und besten Melodien. Die Aufforderu­ng von Armstrong, dass die Leute verrückt spielen und die zwei Pandemieja­hre abschüttel­n sollen, hätte es danach wirklich nicht gebraucht.

Spielfreud­e

Die Punk-Band, die Anfang der 90er-Jahre begann und sich in den Zehner-Jahren von eher hedonistis­chen Themen und humorvolle­n Selbst-Reflexione­n ab- und politische­n Inhalten zugewandt hat, hat nämlich noch viel mehr Songs, die ähnlich bekannt sind und genau die Qualitäten haben, die Stadion-Rock braucht: Eine druckvolle Basis von rasanten Rhythmen und punkigen Gitarren, abgerundet mit bewegten Melodien, die eingängig sind, ohne allzu simpel zu sein. Und wie schon seit Beginn der Karriere bringen Armstrong, Drummer Tre Cool und Bassist Mike Dirnt das auch hier im Stadion mit einer Spielfreud­e auf die Bühne, die unweigerli­ch mitreißt.

Das Programm konzentrie­rt sich auf ältere Songs. Das jüngste, von Motown und Boogie beeinfluss­te Album „Father Of All“, das kurz vor der Pandemie erschienen ist und weder bei Kritikern noch Fans Eindruck hinterlass­en hat, ignorieren Green Day hier. Stattdesse­n gibt es nach dem rasanten Beginn mit „Boulevard Of Broken Dreams“die erste kleine Atempause. Den sachten Stimmungsa­bfall bei einigen etwas weniger bekannten Songs im Mittelteil begegnen Green Day, indem sie ein Cover von „Rock And Roll All Nite“von Kiss dazwischen schieben.

Pop-Zitate

Überhaupt zitieren sie gerne andere Größen der Szene. Einmal spielt Armstrong kurz das Riff von „Ziggy Stardust“von David Bowie an, der Saxofonist später das Intro von „Careless Whisper“von Wham!. Er ist in der zweiten Hälfte dazugekomm­en, bringt (Stichwort: geschickte­r Show-Aufbau) jetzt Abwechslun­g in den Sound.

Aber auch die Band selbst sorgt immer wieder für Abwechslun­g: Es gibt ein furioses Drum-Solo und bei „Minority“ein Mundharmon­ika-Zwischensp­iel von Armstrong.

Zu Beginn bei „Know Your Enemy“hat sich er sich eine Sängerin aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Jetzt nach „21 Guns“sucht (und findet) er jemanden, der Gitarre spielt: „Etti“(oder so ähnlich) macht das hervorrage­nd und genießt es sichtlich, auf der Riesenbühn­e zu stehen. Mit „Basket Case“und der Ballade „Wake

Me Up When September Ends“geht es ins Finale.

Und nach dem akustisch vorgetrage­nen „Good Riddance (Time Of Your Life)“ist die Show auch schon wieder vorbei.

Gefühlt ist das viel zu früh. Denn Green Day bieten ein Rundumpake­t, das großen Spaß macht. Noch so viel mehr, jetzt, wo man es nach zwei Jahren in den eigenen vier Wänden endlich wieder befreit und gemeinsam mit 44.999 Gleichgesi­nnten zelebriere­n darf. Die Tatsache, dass der Sound im Ernst-Happel-Stadion nicht überall optimal war, geht in dieser Freude unter.

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