Kurier

Warum Kohlekraft besser als Chaos ist

- VON BERNHARD GAUL

Die Notfall-Reaktivier­ung der Kohlekraft in Österreich nur zwei Jahre nach dem groß gefeierten „endgültige­n“Ende ist vor allem Eingeständ­nis einer gescheiter­ten Energiepol­itik.

Die längste Zeit quälte die Energiepol­itiker die Frage, ob Klimaschut­z (Ökostromau­sbau) oder Umweltschu­tz (null Eingriffe in die noch bestehende Natur) höher bewertet werden muss. Die aktuelle Antwort lautet: Die Versorgung­ssicherhei­t steht über allem. Der Kampf gegen ein drohendes Blackout, das ein unverantwo­rtbares und unbeherrsc­hbares Chaos zufolge hätte, steht auch bei der grünen Klimaminis­terin über ihrem Leitthema Klimaschut­z.

Auslöser der Misere ist freilich Russlands Putin. Geradezu blind hat sich Österreich in den vergangene­n Jahren mit Haut und Haar dem billigen russischen Gas verschrieb­en. Kaum ein Land ist von Russland abhängiger als wir. Der Ukrainekri­eg und die Sanktionen gegen Russland haben zwar nie die Gasimporte betroffen, dennoch war schnell klar, wie falsch das Pferd ist, auf das wir hier gesetzt haben. Drehen wir als EU den Gashahn aus Russland zu? Werden die Russen die Gaspipelin­e selber abdrehen? Oder machen das die Ukrainer, durch deren Staatsgebi­et die Pipelines laufen?

Jetzt zahlen wir Putin Unmengen an Geld, weil er von den enorm hohen Gaspreisen profitiert, die er durch seinen verbrecher­ischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine und die deshalb schwer verunsiche­rten Märkte erst verursacht hat.

Unsere bigotte Haltung, den Angriffskr­ieg zu verteufeln, der Ukraine helfen zu wollen, aber für unser Gas richtig viele Milliarden nach Moskau zu überweisen, ist offensicht­lich.

Erdgas war in Österreich immer unser Notfall-Energieträ­ger. Weil Putin nun den Fuß auf die Gas-Pipelines stellt, braucht es Alternativ­en. Diese gibt es, teureres Gas aus anderen Staaten wie Norwegen oder Flüssiggas aus Rotterdam. Aber weil nicht sicher ist, ob der Plan der Regierung auch aufgeht, wird nun ein altes Kohlekraft­werk reaktivier­t. Dazu muss man wissen, dass Kohlekraft ein Energieträ­ger der Superlativ­e ist: Nichts verteilt mehr Umweltgift­e über das Land, nichts ist ineffizien­ter und gleichzeit­ig klimaschäd­licher als Kohlestrom. Wir setzen auf Kohlestrom, weil er rasch verfügbar und deshalb sicherer ist.

Und wie ist das jetzt mit dem Klimaschut­z? Ist der plötzlich egal? Nach einem Wochenende der Temperatur­rekorde auf der Nordhalbku­gel, auch in Österreich, die ein klares Zeichen der Klimaerwär­mung sind, dreht die Regierung den Klimakille­r Kohlekraft (das doppelt so viel CO2 ausstößt wie die gleiche Menge Erdgasstro­m) auf. Das zeigt, wie dumm unsere Energiepol­itik seit 2000 war. Dass eine grüne Ministerin nun Kohlekraft reanimiert, macht das schmerzlic­he Dilemma, in dem wir stecken, nur offensicht­lich.

Es war eine pragmatisc­he Entscheidu­ng, jetzt auf Kohlekraft statt auf Klimaschut­z zu setzen. Sie zeigt aber das Ausmaß unseres Dilemmas

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria