So schlimm würde ein Gas-Embargo Österreich treffen
Liefert Russland nicht, droht laut Agenda Austria eine Rezession. Minister beschwichtigt / Deutschland bereitet Notfallstufe 2 vor
Es ist eine Drohkulisse: Russland liefert derzeit 50 Prozent weniger Gas nach Österreich. Das reiche noch aus, „um den aktuellen Verbrauch zu decken und die Gasspeicher zu füllen“, sagt Marcell Göttert, Ökonom vom Think Tank Agenda Austria. Aber was geschieht, wenn Russland gar nicht mehr liefert oder die EU ein Gas-Embargo verhängt? Die wirtschaftsliberale Agenda hat dafür drei Szenarien und deren Effekte auf Österreichs Wirtschaft errechnet.
Im optimistischsten Szenario würde Österreich bei einem Gas-Embargo 15 Prozent seiner Jahresmenge verlieren. Das ginge sich aber nur aus, wenn Privathaushalte ihren Verbrauch um zehn Prozent drosseln, erklärt Göttert. Die Auswirkungen wären dennoch gravierend. Österreich hätte um 1,5 Prozentpunkte weniger Wachstum, was 5,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten und 25.000 Arbeitsplätze gefährden würde. „Selbst im optimistischen Szenario wird die österreichische Wirtschaft im Falle eines Gasembargos wohl bestenfalls stagnieren“, sagt Göttert.
Im mittleren Szenario sinkt die Gasmenge um 25 Prozent, das Wachstum schrumpft um 2,4 Prozentpunkte. Kosten: neun Milliarden. 40.000 Arbeitsplätze wären in Gefahr. Der Industriesektor wäre noch stärker betroffen, was sich negativ auf die Nachfrage im Handel auswirken würde.
Im schlechtesten Szenario fallen 40 Prozent der Jahresmenge weg. Die Wirtschaft bricht um rund 4,5 Prozentpunkte ein, was 16,9 Milliarden Euro kostet und fast 80.000 Menschen arbeitslos macht. „Insbesondere beim pessimistischen Szenario ist klar: In Österreich herrscht Rezession“, sagt Göttert.
Wie kann man diesen Ernstfall verhindern? Österreich hätte bereits im Februar beginnen müssen – wie Deutschland, Dänemark oder Kroatien – alternative Liefermengen an Flüssiggas (LNG) zu gewinnen, etwa aus Norwegen. Dass Türkis-Grün das Verbund-Kraftwerk im steirischen Mellach notfalls wieder mit Steinkohle betreiben will, um Engpässen zu begegnen, bewertet der Ökonom prinzipiell positiv. Er kritisiert aber scharf, dass Österreich im Gegensatz zu Deutschland noch keine Notfall-Szenarien präsentiert hat: „Entweder ist man aufseiten der Regierung nicht bereit, die Szenarien zu kommunizieren, oder es ist noch schlimmer: Man hat keine.“Laut der Zeitung Welt bereitet die deutsche Regierung die Ausrufung der Alarmstufe zwei (von drei) des Notfallplans Gas innerhalb weniger Tage vor.
Österreichs Wirtschaftsund Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) meinte vor dem Hintergrund, dass Russland weniger liefert: „Es ist klar, dass es um strategische Spielchen geht zwischen Russland und der EU.“Er sehe „keinen Grund zur Panik“.