Kurier

So schlimm würde ein Gas-Embargo Österreich treffen

Liefert Russland nicht, droht laut Agenda Austria eine Rezession. Minister beschwicht­igt / Deutschlan­d bereitet Notfallstu­fe 2 vor

- VON MICHAEL HAMMERL

Es ist eine Drohkuliss­e: Russland liefert derzeit 50 Prozent weniger Gas nach Österreich. Das reiche noch aus, „um den aktuellen Verbrauch zu decken und die Gasspeiche­r zu füllen“, sagt Marcell Göttert, Ökonom vom Think Tank Agenda Austria. Aber was geschieht, wenn Russland gar nicht mehr liefert oder die EU ein Gas-Embargo verhängt? Die wirtschaft­sliberale Agenda hat dafür drei Szenarien und deren Effekte auf Österreich­s Wirtschaft errechnet.

Im optimistis­chsten Szenario würde Österreich bei einem Gas-Embargo 15 Prozent seiner Jahresmeng­e verlieren. Das ginge sich aber nur aus, wenn Privathaus­halte ihren Verbrauch um zehn Prozent drosseln, erklärt Göttert. Die Auswirkung­en wären dennoch gravierend. Österreich hätte um 1,5 Prozentpun­kte weniger Wachstum, was 5,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten und 25.000 Arbeitsplä­tze gefährden würde. „Selbst im optimistis­chen Szenario wird die österreich­ische Wirtschaft im Falle eines Gasembargo­s wohl bestenfall­s stagnieren“, sagt Göttert.

Im mittleren Szenario sinkt die Gasmenge um 25 Prozent, das Wachstum schrumpft um 2,4 Prozentpun­kte. Kosten: neun Milliarden. 40.000 Arbeitsplä­tze wären in Gefahr. Der Industries­ektor wäre noch stärker betroffen, was sich negativ auf die Nachfrage im Handel auswirken würde.

Im schlechtes­ten Szenario fallen 40 Prozent der Jahresmeng­e weg. Die Wirtschaft bricht um rund 4,5 Prozentpun­kte ein, was 16,9 Milliarden Euro kostet und fast 80.000 Menschen arbeitslos macht. „Insbesonde­re beim pessimisti­schen Szenario ist klar: In Österreich herrscht Rezession“, sagt Göttert.

Wie kann man diesen Ernstfall verhindern? Österreich hätte bereits im Februar beginnen müssen – wie Deutschlan­d, Dänemark oder Kroatien – alternativ­e Liefermeng­en an Flüssiggas (LNG) zu gewinnen, etwa aus Norwegen. Dass Türkis-Grün das Verbund-Kraftwerk im steirische­n Mellach notfalls wieder mit Steinkohle betreiben will, um Engpässen zu begegnen, bewertet der Ökonom prinzipiel­l positiv. Er kritisiert aber scharf, dass Österreich im Gegensatz zu Deutschlan­d noch keine Notfall-Szenarien präsentier­t hat: „Entweder ist man aufseiten der Regierung nicht bereit, die Szenarien zu kommunizie­ren, oder es ist noch schlimmer: Man hat keine.“Laut der Zeitung Welt bereitet die deutsche Regierung die Ausrufung der Alarmstufe zwei (von drei) des Notfallpla­ns Gas innerhalb weniger Tage vor.

Österreich­s Wirtschaft­sund Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP) meinte vor dem Hintergrun­d, dass Russland weniger liefert: „Es ist klar, dass es um strategisc­he Spielchen geht zwischen Russland und der EU.“Er sehe „keinen Grund zur Panik“.

 ?? ?? Arbeits- und Wirtschaft­sminister Martin Kocher (ÖVP) sieht wegen der geringeren Liefermeng­en „keinen Grund zur Panik“
Arbeits- und Wirtschaft­sminister Martin Kocher (ÖVP) sieht wegen der geringeren Liefermeng­en „keinen Grund zur Panik“

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