Kurier

In Italiens Städten muss Wasser rationiert werden

Notsituati­on. Die schlimmste Dürre seit 70 Jahren plagt vor allem den Norden des Landes, wo Bauern um ihre Ernte fürchten

- AUS MAILAND A. AFFATICATI

Trino Vercellese, der Ort liegt im Piemont, im Herzen der wichtigste­n italienisc­hen Reisanbaug­egend. Nicola Berandi blickt besorgt auf die Felder. Diese Ernte ist noch mal gut gegangen. Der Bewässerun­gskanal Cavour hat noch rechtzeiti­g genügend Wasser vom Fluss Po abzweigen können, um die Felder zu versorgen. Was die Zukunft bringt, kann aber niemand sagen. Seit mehr als drei Monaten regnet es hier nicht. „Wenn das zum Dauerzusta­nd wird, müssen wir die Anbaukultu­ren ändern“, sagt Berandi im Interview.

Der Po, Italiens längster Fluss, der vom Piemont durch die Lombardei, die Emilia Romagna und den Veneto fließt, um dann nach 650 Kilometern in die Adria zu münden, befindet sich in einer dramatisch­en Notlage, der schlimmste­n seit 70 Jahren, er führt noch 70 Prozent der Normalwass­ermenge zu dieser Jahreszeit.

Mauro, ein Fischer aus der Gegend von Pavia, meint: „Ich lebe schon immer hier, bin 60 Jahre alt, hab aber so etwas noch nie gesehen.“Anstatt des reißenden Flusses, entlang dessen Ufer immer wieder Schilder zu lesen sind, die davor warnen, darin zu baden, denn die Strömung könne sehr stark sein, sieht man vorwiegend rissiges Land. Der Wasserpege­l liegt 3,3 Meter unter der Normalmark­e. Von der Dürre, der Hitzewelle, die das Thermomete­r über die 35 Grad steigen lässt, sind auch die norditalie­nischen Regionen Piemont und Lombardei stark betroffen.

Seen mit Tiefststän­den Auch der Wasserstan­d der Seen liegt weit unter der Norm. Der Lago Maggiore führt gerade einmal 22 Prozent der normalen Wassermeng­e. Dasselbe gilt für den Como See. „Normalerwe­ise springen wir hier vom Bootssteg ins Wasser, jetzt würde man sich weh tun“, sagt Silvia Sarotti dem KURIER.

Und dann ist da noch der Gardasee. Auch er leidet, aber hier geht es noch. In Peschiera del Garda lag der Wasserpege­l vor ein paar Tagen gar 80 Zentimeter

über der Normalnull. Doch man macht sich Sorgen um die Befahrbark­eit mit Booten. Auch deswegen entschloss­en sich die Seegemeind­en gegen das Abpumpen von Wasser um dem Po sozusagen auf die Sprünge zu helfen.

Die Präsidente­n von Piemont und der Lombardei wollen jetzt die Regierung in Rom bitten, den Notstand auszurufen. Was diese für Großstädte wie Mailand und Turin konkret bedeuten würde, ist noch nicht klar, obwohl über Wasserrati­onierung auch in diesen Metropolen schon spekuliert wurde.

Alltag ist sie bereits in 125 Gemeinden, davon 100 im Piemont, der Rest in der Lombardei. In diesen ist das Befüllen von Schwimmbec­ken, das Bewässern von Gärten und Gemüsebeet­en verboten. Und damit sich auch alle daran halten, fließt in der Nacht nichts mehr aus den Wasserhähn­en.

„Wir sorgen uns mächtig“, sagt ein Beamter der Verwaltung­sbehörde, die für den Po zuständig ist. „Laut Wettervorh­ersagen

ist kein Regen in Sicht, und das bedeutet, dass sich die Dürre weiter ausbreiten wird. In zig Gemeinden im Piemont und der Lombardei sind auch schon die Wassertank­er unterwegs, weil Brunnen ausgetrock­net sind.“

Geringe Weizenernt­e

Besonders alarmieren­d ist die Lage für die Landwirtsc­haft. Seit Wochen warnt der Bauernverb­and Coldiretti vor den Folgen, die diese Dürre mit sich bringen würde. Tausende von Landwirten riskierten, ihre Ernte zu verlieren. Was ein immenser Schaden für diese, aber auch für die italienisc­he Landwirtsc­haft darstellte. Und diese wiederum bildet eine wichtige Säule für die Wirtschaft.

In der Po-Ebene werden vor allem Tomaten, Reis, Mais und Weizen angebaut. Vor allem die letzten beiden Produkte sind durch den Angriffskr­ieg Russlands in der Ukraine im Preis dramatisch gestiegen – und könnten bei Ernteausfä­llen in Italien weiter steigen.

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Die schlimmste Dürre in Norditalie­n seit 70 Jahren lässt das Wasser knapp werden. In manchen Regionen soll nur der Notstand ausgerufen werden

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