Neuwahlen in Israel: Steht jetzt die nächste Netanjahu-Amtszeit bevor?
Der langjährige Ex-Premier liegt in Umfragen wieder vorne, doch Übergangspremier Lapid könnte punkten
Regierungskrise. Israels Premier Naftali Bennett ist der Opposition zuvorgekommen. In der Nacht zum Dienstag hat er die Selbstauflösung seiner Koalition und Neuwahlen für Ende Oktober angekündigt. Die fünften in drei Jahren. Wobei auch diese am jahrelangen Patt zwischen Befürwortern und Gegnern Netanjahus kaum etwas ändern dürften.
„Es war die härteste, aber auch die zionistischste Entscheidung meines Lebens. Wir müssen die Regierung aus dem Loch ziehen, in das sie gefallen ist“, sagte Bennett. Der politische Spagat einer AntiNetanjahu-Koalition mit acht Parteien – rechten wie linken, religiösen und säkularen, Juden und Arabern – ist damit nach nur einem Jahr gescheitert. Ihr Zustandekommen konnte schon als politisches Wunder gelten. Nicht die Opposition hat sie gestürzt, sondern Überläufer aus den eigenen Reihen, durch die man die Mehrheit im Parlament verloren hatte.
Netanjahus Likud-Fraktion will jetzt versuchen, noch in den letzten Tagen vor der angekündigten Auflösung des Parlaments eine neue Koalition zu bilden. 55 Abgeordnete hat der Ex-Premier dabei fest hinter sich. Er braucht aber 65 Stimmen für ein alternatives Kabinett.
In den Wahlumfragen liegt Netanjahu aktuell vorne. Wie in allen letzten Wahlkämpfen. Erste Signale zeigten, meinen Beobachter, dass der 72-Jährige in einem anstehenden Wahlkampf seine bekannte Strategie aus haltlosen Versprechungen und Hetze gegen Minderheiten beibehalten werde. So wirft er der Regierung vor, sie kollaboriere mit „Terrorunterstützern“, weil in der Koalition auch die arabische Raam-Partei sitzt.
Lapid erfährt Zuspruch
Trotzdem hat das aktuelle Kabinett als Übergangsregierung aber noch einige Möglichkeiten, die Gunst der Wähler für sich zu gewinnen. Neuer Premierminister ist ab nächster Woche der bisherige Außenminister Jair Lapid. Der Wechsel an der Spitze war schon im Koalitionsvertrag verankert, wird jetzt aber vorgezogen.
Lapid gilt als Architekt der Spagat-Koalition, als Chef der größeren Partei hätte eigentlich er Anspruch auf die erste Rotationshälfte gehabt. Doch blieb er im Hintergrund. Mehrfach stellte er eigene Interessen zurück, um die Koalition zu retten. Was bei den Wählern gut ankam.
In Wählerumfragen galt er in den letzten Jahren als unfähig zur Führungsrolle. Doch im letzten Jahr änderte sich diese Ablehnung. Sogar Netanjahu musste dies anerkennen, um nicht seine letzte Glaubwürdigkeit und einen potenziellen zukünftigen Partner ganz zu verlieren: „Lapid verkörpert Tugenden wie Verantwortung und Fairness. Ein großer Teil der Öffentlichkeit steht hinter ihm.“
Soll heißen: In den letzten zwölf Monaten hatten die Israelis Gelegenheit festzustellen, dass Israels Gesamtlage sich ohne Netanjahu nicht dramatisch zum Schlechten verändert. Im Gegenteil. Israel hat kaum Arbeitslosigkeit, die Inflation liegt deutlich niedriger als in den meisten westlichen Staaten. Der Schekel boomt.
Trotzdem gibt es keine entscheidenden Signale, die auf ein Ende des historischen Patts in Israel zwischen den verfeindeten Blöcken hinweisen. Der israelische Polit-Experte Amnon Abramowitsch sagte gar: „Ohne grundlegende und einschneidende Veränderung unseres Wahlrechts bleibt alles so, wie es ist.“