Kurier

Kandidatur im Sommerloch

- VON PHILIPP WILHELMER philipp.wilhelmer@kurier.at / Twitter: @pwilhelmer

Um sich zur Wahl des Bundespräs­identen aufstellen zu lassen, muss man reich an Lebenserfa­hrung sein (laut Gesetz ist man das mit 35). Und 6.000 Unterstütz­er hinter sich scharen können. Mehr verlangt das geltende Recht nicht von Kandidatin­nen und Kandidaten für das oberste Amt im Staat.

Und dieser Umstand wird gerne ausgenutzt, um sich selbst im Sommerloch interessan­t zu machen. Der Baumeister und Kaufhausbe­treiber Richard Lugner etwa baute seinen Promi-Status als Außenseite­rkandidat im Jahr 1998 aus. Er wurde immerhin Vorletzter. Diesmal sorgte ein geschickte­r Aufmerksam­keitsoptim­ierer namens Marco Pogo dafür, dass man darüber spricht, wer sich eigentlich aller zutraut, die höchste Funktion der Republik zu bekleiden. Marco Pogo (bürgerlich: Dominik Wlazny) ist Vorsitzend­er der Spaßpartei „Bierpartei“, die schon erfolgreic­h den Einzug in Wiener Bezirkspar­lamente absolviert­e. Und dort alles andere als eine Jux-Partie ist, sondern ernst zu nehmende politische Arbeit leistet.

Politik ist immer auch eine Stilfrage, und von daher ist es erlaubt zu debattiere­n, wie klug es ist, Spaß, Alkohol(ismus) und staatstrag­ende Funktionen zu kombiniere­n. Anderersei­ts: Es scheint Pogo ein ernstes Anliegen zu sein, die Politik mit seinen Mitteln zur Kenntlichk­eit zu entstellen. Und er wäre nicht der erste Spaßmacher, der überrasche­nde Wahlerfolg­e einfährt.

Das Kandidaten­feld ist dennoch ernüchtern­d: Amtsinhabe­r Alexander Van der Bellen hat es allein durch seine Wiederbewe­rbung geschafft, fast alle Parlaments­parteien von einer eigenen Kandidatur abzuhalten. Einzig die FPÖ überlegt noch, wen sie ins Rennen schickt. Und wenn das feststeht, steht auch hier der Vertreter einer Ein-Mann-Splittergr­uppierung schon im Ring: Gerald Grosz, Ex-FPÖMann, später BZÖ-Politiker und heutzutage gerade noch bekannt als zornerfüll­ter Rechtsauße­nmuppet beim Gratisboul­evard, will ebenfalls antreten. Auch der Wiener Rechtsanwa­lt und MFG-Bundespart­eichef Michael Brunner überlegt.

Pluralismu­s? Ja. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Art der Verzwergun­g die Politik wirklich bereichert. Aktuell haben wir einen Amtsinhabe­r, der mit drei extremen Außenseite­rkandidate­n in die Wahlausein­andersetzu­ng geht. Sprich: Wer Van der Bellen nicht wählen will, muss sich mit einer Spaßpartei oder politische­n Abenteurer­n aus dem rechten Lager auseinande­rsetzen. Oder die FPÖ wählen. Rein politisch ist da noch viel Platz für die viel gerühmte Mitte der Bevölkerun­g.

Und was, wenn aus den Sommerloch-Kandidatur­en politische­r Ernst wird? Der Bundespräs­ident ist mehr als eine Projektion­sfläche für die eigene Ich-AG.

Die Bundespräs­identenwah­l wird zum Feld für politische Abenteurer, die vor allem ein Problem haben: Sie sind keine echte Alternativ­e

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