Kurier

Rücktritte in den Ländern: Zerbröselt die ÖVP?

Nach Hermann Schützenhö­fer und Günther Platter hat sich auch Vorarlberg­s Markus Wallner zurückgezo­gen. Für Karl Nehammer wird das Regieren damit nicht leichter

- VON MARTIN GEBHART

auf Bundeseben­e Ministerwe­chsel fast schon an der Tagesordnu­ng sind, regt kaum jemanden mehr auf. Auch wenn das Austausche­n von ÖVP-Köpfen in der Bundesregi­erung zuletzt inflationä­re Züge angenommen hatte. Dass der schwarzen oder türkisen Volksparte­i aber innerhalb eines Monats gleich drei Landeshaup­tleute abhandenge­kommen sind, nagt an dem – nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz ohnehin angekratzt­en – Selbstbewu­sstsein der Partei.

Jetzt kann es natürlich als reiner Zufall abgetan werden, dass der Steirer Hermann Schützenhö­fer, der Tiroler Günther Platter und der Vorarlberg­er Markus Wallner den Juni gewählt haben, um ihren Rückzug zu verkünden. Und jeder dieser Schritte kann für sich erklärt werden: Hermann Schützenhö­fer war nach seinem 70. Geburtstag eigentlich programmge­mäß abgetreten. Günther Platter wiederum hatte einen Schwenk vollzogen und sich plötzlich entschiede­n, bei der kommenden Landtagswa­hl nun doch nicht mehr zu kandidiere­n. Die Drohungen gegen ihn und sein persönlich­es Umfeld wegen der Impfpflich­t, die er als Motiv dafür anführte, dürften dabei nur eine Seite dieser Medaille gewesen sein. Parteiinte­rne Reibereien in Tirol und die Angst vor einer Wahlnieder­lage haben wohl genauso mitgespiel­t. Markus Wallner hat bloß eine „gesundheit­liche Pause“angekündig­t

(siehe Artikel rechts). Wann und ob er zurückkomm­t, ist ungewiss, auch wenn er versichert, auf jeden Fall wieder an der Spitze seines Bundesland­es stehen zu wollen.

ÖVP-Achse geschrumpf­t

Für Bundeskanz­ler Karl Nehammer lässt sich diese Häufung an (Teil-)Rücktritte­n in der Riege der Landeshaup­tleute auf einen gemeinsame­n Nenner bringen: In den kommenden, so wichtigen Wochen im Kampf gegen die Teuerung, gegen die hohen Energiepre­ise und auch gegen eine mögliche neue Corona-Welle fehlt ihm die starke Achse seiner ÖVP-Landeshaup­tleute. In der Steiermark wird sich Schützenhö­ferDass

Nachfolger Christophe­r Drexler erst einarbeite­n müssen. Tirol steckt im Wahlkampff­ieber, weil jetzt schon am 25. September die Landtagswa­hl angesetzt ist. Und die Übergangss­tatthalter­in in Vorarlberg kann ihm in diesen Wochen keine so große Hilfe sein. Bleiben ihm (nur) noch die niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner sowie der Oberösterr­eicher Thomas Stelzer und der Salzburger Wilfried Haslauer. Wobei Mikl-Leitner und Haslauer mehr auf ihr eigenes Bundesland schauen müssen, weil dort 2023 Landtagswa­hlen anstehen.

Keine stabile Regierung

Für Karl Nehammer wäre das weniger problemati­sch, wenn er an der Spitze einer stabilen und gefestigte­n Regierungs­koalition stehen würde. Die Realität ist eine andere.

Darüber können auch seine gute Beziehung zu Vizekanzle­r Werner Kogler und die Achse zwischen Sigrid Maurer (Grüne) und August Wöginger (ÖVP) nicht hinwegtäus­chen. Letzterer muss immer öfter ausrücken, um den Ärger seiner ÖVP-Abgeordnet­en über Leonore Gewessler zu bremsen, weil die grüne Klimaschut­zministeri­n das Klavier des Koalitions­friedens nur für ihre eigenen Melodien nutzt. Stichwort: Straßenbau. Dass in so manchen

Hinterzimm­ern des Parlaments erneut Bande mit der FPÖ – allerdings ohne Herbert Kickl – geknüpft werden, ist ein Ergebnis davon. Von langgedien­ten ÖVPFunktio­nären wird es jedenfalls als Alarmzeich­en gesehen, dass die Turbulenze­n des Bundes mittlerwei­le auf die Ländereben­e durchgesch­lagen haben. Damit sei das Gerüst der Volksparte­i um einiges fragiler geworden. Eine Ursache liegt darin, dass sich die Partei in den vergangene­n Jahren auf allen Ebenen zu sehr auf die Strahlkraf­t von Sebastian Kurz verlassen und ihre Strukturen – teilweise auch bewusst angeordnet – vernachläs­sigt hat. Jetzt ist er weg, und der Apparat kann nicht mehr so hochgefahr­en werden wie davor. Das Ändern der Parteifarb­e reicht nicht. Zudem haben sich die Rahmenbedi­ngungen, etwa durch das Parteienge­setz, geändert. Die parteiinte­rn bereits geforderte strukturel­le Neuaufstel­lung wird für Karl Nehammer eine Herkulesau­fgabe. Vor allem, weil ihm dafür das wichtigste Instrument fehlt – ein schlagkräf­tiges Generalsek­retariat.

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 ?? ?? Hermann Schützenhö­fer: Rücktritt am 3. 6. verkündet
Hermann Schützenhö­fer: Rücktritt am 3. 6. verkündet
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Günther Platter: Überrasche­nder Rückzug am 13. 6.

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