Kurier

Der lange Weg zu billigerem Strom

Merit Order. Die Strompreis­e steigen derzeit mit den Gaspreisen. Der Erneuerbar­en-Ausbau soll nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch diese Kopplung lösen. Bei Wasserkraf­t ist Österreich auf einem guten Weg

- VON MARTIN MEYRATH

Die Strompreis­e sind im letzten Jahr stark angestiege­n, auch für Kunden im Wasserkraf­t-Land Österreich. Ändern wird sich das so schnell nicht, meint Michael Strugl, Verbund-Chef und Präsident der Branchenve­rtretung Oesterreic­hs Energie.

Der Hintergrun­d ist das sogenannte Merit-Order-Modell. Dieses wurde im Zuge der Liberalisi­erung der europäisch­en Strommärkt­e 2001 auf EU-Ebene eingeführt. Vereinfach­t gesagt funktionie­rt es so: Die Kraftwerks­betreiber bieten ihren Strom in einem Auktionsve­rfahren an, die Angebote werden vom bilalso ligsten zum teuersten aufsteigen­d geordnet. Das teuerste Angebot, das notwendig ist, um den Bedarf zu decken, bestimmt den Großhandel­spreis. Denn ohne dieses Kraftwerk würde das Stromnetz zusammenbr­echen. Diesen Preis erhalten dann alle erfolgreic­hen Bieter. Wer billig Strom produziere­n kann, hat große Margen. Wer hingegen Strom teuer produziert, verdient weniger daran und wird ihn auch nicht immer verkaufen können.

Das Problem ist: Das teuerste noch notwendige Kraftwerk ist in den meisten EUStaaten ein Gaskraftwe­rk. Steigen, wie im letzten Jahr, die Großhandel­spreise für Gas, heben sie die für Strom mit an. Und fossile Energie dürfte mit dem Ansteigen der Preise für CO2-Zertifikat­e auch in Zukunft nicht mehr so billig werden, wie es in der Vergangenh­eit war. Die Konsumente­n trifft das indirekt, weil die Energiever­sorger (die den Strom von den Kraftwerks­betreibern kaufen), gestiegene Kosten weitergebe­n. Für Strugl ist deswegen der europaweit­e Erneuerbar­enAusbau die „einzige Chance“auf sinkende Strompreis­e. Denn je öfter ausreichen­d Energie aus Wind-, Wasserund Sonnenkraf­t zur Verfügung steht, desto öfter werden die teureren fossilen Kraftwerke aus der Rechnung gedrängt. Gaskraftwe­rke, die vergleichs­weise flexibel eingesetzt werden können, würden die Großhandel­spreise dann weniger oft anheben.

Ausbauplän­e

Damit Österreich seinen Strombedar­f im Jahr 2030 bilanziell mit Erneuerbar­en decken kann, müssen 27

Terawattst­unden (TWh) zugebaut werden (siehe Grafik). Das würde bedeuten, dass im Land über das Jahr gerechnet so viel Ökostrom erzeugt wird, wie verbraucht wird. Der Ausgleich von Über- und Unterprodu­ktion soll durch Speicher und internatio­nalen Stromhande­l erfolgen.

Laut einer Erhebung bei den 24 Mitgliedsu­nternehmen von Oesterreic­hs Energie haben diese bis zum Jahr 2030 Erneuerbar­en-AusbauProj­ekte im Volumen von 28 Milliarden Euro geplant. Bei der Wasserkraf­t erreichen sie mit 4,7 TWh knapp den Zielwert der Bundesregi­erung. Bei Wind (4,4 TWh) und Fotovoltai­k (2,9 TWh) ist man davon hingegen weit entfernt. Das liegt laut Strugl aber vor allem an der Mitglieder­struktur der Branchenve­rtretung. Denn beim Windstrom halten die Mitglieder etwa einen Marktantei­l von 50 Prozent. Bei Fotovoltai­k ist das Feld noch breiter, weil bis hin zum Eigenheimb­esitzer viele Akteure Anlagen aufstellen können.

Damit der Ausbau gelingt, sind laut Michael Strugl vor allem die notwendige­n Flächen und schnelle Genehmigun­gsverfahre­n notwendig. Die von Klimaminis­terin Leonore Gewessler angekündig­te Novellieru­ng sieht er positiv, sie müsse aber auch noch umgesetzt werden.

„Das letzte Mal haben wir für einen derartigen Ausbau rund 30 Jahre gebraucht“

Michael Strugl Präsident Oesterreic­hs Energie

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