Ende des Hypes: Was auf die Start-ups jetzt zukommt
Crash-Ängste an der Börse, Lage in Österreich (noch) entspannt
Wachstum um jeden Preis? In den USA und Europa wird eine auf aberwitzige Bewertungen aufgebaute Technologieund Start-up-Szene gerade unsanft aus ihren Träumen gerissen. Weil ihre Risikokapitalgeber angesichts von Rekordinflation, bevorstehender Zinswende und Rezessionsängsten kalte Füße bekommen und den Geldhahn zudrehen, sitzen viele gehypte „Einhörner“– so werden Start-ups genannt, die an der Börse über 1 Mrd. Dollar wert sind, Anm. – vor leeren Trögen. Die Profitabilität in weiter Ferne, müssen jetzt Kosten gesenkt und Strategien geändert werden.
Die Folge sind Kurseinbrüche bei den Überfliegern an der Technologiebörse Nasdaq – und Massenkündigungen. Besonders betroffen sind „Corona-Gewinner“wie Online-Händler, Essenslieferdienste oder FinTechs. So gaben der deutsche Zustelldienst Gorillas, sein Konkurrent Getir, sowie der schwedische Payment-Anbieter Klarna zuletzt an, große Teile ihrer Belegschaft abzubauen. Selbst Wachstumskaiser Tesla fürchtet sich vor nervösen Investoren und kappt vorsorglich Tausende Stellen.
„Todesspirale“
Der mächtige US-Beteiligungsfonds Sequoia Capital warnt vor einer „Todesspirale“, sollten Investoren weiter Kapital in völlig überbewertete Unternehmen stecken. Die Angst vor einem zweiten New-Economy-Crash wächst. In Österreich, wo im Vorjahr die Rekordsumme von 1,24 Mrd. Euro an Startup-Finanzierungen floss, herrscht eine gewisse Ernüchterung, aber keine Panik. Der Grund: Das Startup-Ökosystem ist hierzulande noch sehr jung. Nur wenige Überflieger haben es bis dato in die Einhorn-Liga geschafft, sind nahe dran („Soonicorns“) und haben Börseambitionen. „Ich glaube an keinen großen Crash, sondern eher an eine Konsolidierung“, sagt Markus Lang, Partner von Speedinvest. „Klar ist, dass in den nächsten Jahren viel weniger internationales Wachstumskapital nach Österreich fließen wird.“Dadurch werde es weniger große Finanzierungsrunden geben. Je näher ein Unternehmen am Kapitalmarkt ist, desto stärker werde sich dies auswirken.
Die Lernplattform GoStudent und das FinTech Bitpanda sollten von ihrem eingesammelten Wachstumskapital im dreistelligen Millionenbereich
noch länger zehren können, glaubt Lang. Womöglich müssten aber überzogene Wachstumsziele revidiert werden.
Realistische Bewertung
„Die großen InvestmentRunden im Vorjahr haben sicher einen Hype ausgelöst, jetzt wird selektiver hingeschaut und die Bewertungen angepasst“, meint Laura Egg, Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (AAIA), die heuer ihr 10-Jahr-Jubiläum feiert. Dass die Geldgeber die Geschäftsmodelle kritischer unter die Lupe nehmen, sei eine positive Entwicklung. Längerfristig könne ein Start-up nur überleben, wenn es ein krisensicheres Geschäftsmodell habe. Auch wenn dunkle Wolken aufziehen, sei die Gründerdynamik noch intakt.
Markt-Bereinigung
Durch eine Bereinigung würden wieder Talente frei und neue Start-ups gegründet. Nachschub also für die Business-Angels, die sich wie Speedinvest schon frühzeitig an einem Unternehmen beteiligen und es weiterentwickeln. Größtes politisches Anliegen der AAIA sind bessere gesetzliche Regeln für Mitarbeiterbeteiligung. Es sei ein „zusätzlicher Motivator“für junges Personal, Teil des Unternehmens zu sein.
Bis dato waren die Geldgeber in Österreich heuer durchaus spendabel, zeigen aktuelle Zahlen der Beratungsgesellschaft EY. Demnach flossen bis Ende Mai 610 Mio. Euro an Start-upInvestments. „Wir liegen damit sogar höher als im Vorjahr, die Anzahl an Finanzierungsrunden ist in etwa gleich“, sagt EY-Experte Florian Haas. Klar ist, das wird nicht so bleiben. Dass Österreich bei globalen Fonds eher unter der Wahrnehmungsschwelle liegt, könnte sich diesmal als Vorteil erweisen.