Kurier

Zur Person

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Im Herbst 2021 übernahm Peter Kraus gemeinsam mit Judith Pühringer die Wiener Grünen. Die Ansage des neuen Duos: Man wolle in der Partei „durchlüfte­n“. In der politische­n Arbeit hat man sich auf den früheren Koalitions­partner, die SPÖ, eingeschos­sen.

KURIER: „Mit Grün bewegt sich was“lautet der Slogan Ihrer Plakatkamp­agne. Man hat eher den Eindruck, die Grünen sind in Wien damit beschäftig­t, zu blockieren – bei der Verkehrsbe­ruhigung der City, bei der Stadtstraß­e. Peter Kraus: Ich sehe das ganz anders. Wir treiben beim Thema Leerstand an, gegen den die SPÖ keine Maßnahmen setzen will. Wir haben Konzepte für Klimaschut­z und Mobilität, die die SPÖ nach der Wahl in den Schubladen verschwind­en ließ. Und auch gegen die Teuerung hat die SPÖ nur einen 200-Euro-Gutschein präsentier­t, der erst im Dezember kommt.

Bleiben wir bei der Teuerung: Insgesamt gibt es für Wienerinne­n und Wiener bis zu 1.000 Euro, die gegen die steigenden Energiepre­ise helfen sollen. Wie viel muss es noch sein, damit es genug ist?

Jeder Euro hilft, das ist klar. Aber das Wiener Konzept ist nicht zu Ende gedacht. Eine Familie mit Kindern, die natürlich einen höheren Energiever­brauch hat, erhält gleich viel wie ein Single. Da läuft was falsch. Die Bundesregi­erung macht das besser, ihr Paket besteht aus einem klugen Mix aus strukturel­len Maßnahmen und Einmalzahl­ungen.

SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r rechnet vor, dass

Spitzenver­diener mit bis zu 6.000 Euro vom Paket des Bundes profitiere­n, während ärmere Menschen proportion­al schlechter aussteigen. Das finden Sie gelungen?

Diese Rechnung ist nicht nachvollzi­ehbar. Der Bund hat Schritte gesetzt, die ganz bewusst die unteren Einkommens­schichten adressiere­n.

Der Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en ist eine Ihrer Kernforder­ungen. Wie geht es Ihnen damit, wenn Österreich jetzt die Rückkehr zur Kohle vorbereite­t?

Was nun passiert, ist absurd. Es ist ein Echo aus der Vergangenh­eit, in der man es verabsäumt hat, rechtzeiti­g auf erneuerbar­e Energien umzusteige­n. Die Abhängigke­it von russischem Gas ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis alter Politik. Ich erinnere mich an die FPÖ, die vor dem Kreml stand, und an die Standing Ovations für Putin in der Wirtschaft­skammer. Dass SPÖ, FPÖ und ÖVP nun versuchen, der grünen Klimaminis­terin die Versäumnis­se der Vergangenh­eit umzuhängen, ist ein letztklass­iger Versuch, die eigenen Spuren zu verwischen.

Zurück nach Wien: Die Grünen legen sich bei der Verkehrsbe­ruhigung der Inneren Stadt quer, auf die sich SPÖ, Neos und Bezirks-ÖVP geeinigt haben. Ein RevancheFo­ul, weil 2020 das grüne Konzept zur autofreien City gekippt wurde?

Wir sind für die Verkehrsbe­ruhigung. Die SPÖ führt eine Scheindeba­tte.

Aber Sie haben doch die Debatte losgetrete­n, indem sie sich gegen die nötige Videoüberw­achung ausspreche­n, für die es das Okay Ihrer Verkehrsmi­nisterin bräuchte.

Der Streit wäre gar nicht nötig. Die SPÖ hat sich in ihrem Konzept jedoch ausschließ­lich überlegt, wie man möglichst viele Kameras aufstellen kann – sonst nichts. Das alleine macht den öffentlich­en Raum aber nicht besser. Damit ist noch kein einziger Baum gepflanzt, keine einzige Fußgängerz­one geschaffen.

Sobald die Oberfläche­ngestaltun­g passt, würden Sie Kameras zustimmen – verstehe ich das richtig?

Ja, ich will da nicht dogmatisch sein. Ich mag es aber nicht, wenn die Wiener SPÖ Datenschut­z und Klimaschut­z gegeneinan­der ausspielt. Ich halte die Videoüberw­achung zudem für übermäßig teuer und denke, dass es ohne geht. Das Konzept von Birgit Hebein (grüne Ex-Vizebürger­meisterin, Anm.)

ausweitet. Die Mariahilfe­r Straße macht es vor, da haben wir ja auch keine Kameras aufgestell­t.

Sie haben die Blockaden gegen die Stadtstraß­e unterstütz­t, obwohl sogar Ihre Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler den Bau befürworte­t. Warum sind Sie da strenger als Ihre Ministerin?

Mir ist klar, dass die Stadtentwi­cklungsgeb­iete im 22. Bezirk einen Straßenans­chluss brauchen. Aber wir müssen uns die Frage stellen, ob es die Quasi-Autobahn in dieser Dimension noch braucht, wenn der Lobautunne­l als Anschluss ohnehin nicht gebaut wird.

Warum nennen Sie die Stadtstraß­e immer Autobahn, obwohl es keine ist? Ist diese polemische Rhetorik nötig?

Ich nenne sie Quasi-Autobahn. Da bin ich sehr präzise. Das soll das Bestreben der SPÖ zeigen, das Projekt immer größer und breiter zu gestalten, damit es wie eine Autobahn aussieht. Aber eigentlich geht es mir auch um etwas anderes: Ich finde es tragisch, wie RotPink mit engagierte­n Klimaaktiv­isten umgeht. In anderen Städten spricht man mit jungen Menschen, bei uns werden sie geklagt. Wir werden die Bewegung in den nächsten Jahren brauchen, um die großen Veränderun­gen zu schaffen.

Die ÖVP fürchtet eine „Entwertung“der Staatsbürg­erschaft, wenn man sie an Zuwanderer verleiht.

Dass wir da trotz Koalition im Bund anderer Meinung ist, weiß jeder. Wichtig ist, dass es trotz dieser realitätsf­remden Rhetorik nicht zu Verschlech­terungen im Staatsbürg­erschaftsr­echt

Peter Kraus

Der 35-jährige gebürtige Niederöste­rreicher hat sein politische­s Handwerk bei der damaligen grünen Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou gelernt. Seit Ende 2021 führt er gemeinsam mit Judith Pühringer die Wiener Landespart­ei als Doppelspit­ze

Wahl-Niederlage

Zum Führungswe­chsel kam es, als die Grünen nach der Wien-Wahl 2020 trotz bestem Wahlergebn­is (14,8 Prozent) aus der Stadtkoali­tion flogen. Vorgängeri­n Birgit Hebein, die ohnehin bereits mit der eigenen Partei gebrochen hatte, trat zurück

kommt. Das garantiere­n wir Grüne. Ich will gerne eine Lösung finden für jene, die hier geboren sind, aber dennoch keine Staatsbürg­erschaft haben und sich politisch nicht einbringen können. Für diese Kinder, die nie ein anderes Zuhause hatten, will ich Verbesseru­ngen. Da sehe ich eine Chance, die ÖVP zu überzeugen.

Die Wiener ÖVP hat sich der SPÖ für 2025 schon jetzt als Koalitions­partner angeboten. Wollen die Grünen auch wieder regieren?

Die Grünen wollen immer gestalten. Mir macht das altkoaliti­onäre Geplänkel, das sich da zwischen ÖVP und SPÖ abspielt, Angst. Man sieht, dass beide in eine Zeit zurückwoll­en, in der sich ein paar Männer auf einem kleinen Tisch in einem geschlosse­nen Raum ausmachen, wie die Stadt zu funktionie­ren hat. Diesen Geist spürt man wieder.

Rot-Pink hat Sigrid Pilz, eine Ex-Grüne, als Patientena­nwältin nicht verlängert. Verstehen Sie, warum?

Nein. Sie hat bewiesen, dass sie abseits der Parteipoli­tik im Interesse der Patienten handelt. Ihre Qualifikat­ion ist unumstritt­en. Jetzt kommt jemand (Ex-OLG-Richter Gerhard Jelinek, Anm.), der laut Ausschreib­ung nicht besser qualifizie­rt ist. Als sich Jelinek den Parteien präsentier­t hat, hat er erzählt, wie er zu dem Job kam: Er habe dem Bürgermeis­ter gesagt, dass ihm in der Pension fad sei und er gerne einen Posten übernehme, wenn irgendwo einer übrig bleibe. Und da sitzt er nun. Auch das ist ein Ausdruck dieser gefährlich­en Hinterzimm­erpolitik.

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