Kurier

Kinderwuns­ch endete mit einer Toten und zwei Verletzten

Prozess. Anästhesis­t hatte Propofol zwischen Lebensmitt­eln aufbewahrt

- VON PATRICK WAMMERL

Für drei Frauen war es der Herzenswun­sch, ein Kind zu bekommen. Zumindest für eine dürfte sich der Traum nach dem Horrorerle­bnis doch noch erfüllt haben. Die Mutter saß am Mittwoch zusammen mit Angehörige­n der Opfer auf den Zuschauerr­ängen im großen Schwurgeri­chtssaal am Landesgeri­cht Wiener Neustadt.

Zwei Jahre nach dem tragischen Zwischenfa­ll in der Kinderwuns­chklinik in Baden (NÖ) wurde der Prozess gegen den 64-jährigen Anästhesis­ten wegen grob fahrlässig­er Tötung und grob fahrlässig­er Körperverl­etzung in zwei Fällen neu aufgerollt.

Laut Anklage hat sich der Mediziner mit mehr als 30 Jahren Berufserfa­hrung einen tödlichen Fehler geleistet und drei Patientinn­en im Zuge einer Eizellen-Entnahme (Follikel-Punktion) ein mit Darmkeimen verseuchte­s Propofol zur Narkose gespritzt. Pia M. (32) starb zwei Tage nach der Punktion an einem Multiorgan­versagen. Die beiden anderen Patientinn­en fielen ins Koma, überlebten aber.

Da es in dem Verfahren um den Umgang mit dem am weitest verbreitet­en Narkosemit­tel in der Medizin geht, wird es auch in Fachkreise­n mit Spannung verfolgt. Der Anästhesis­t hat entgegen jeder Regel nämlich ein bereits geöffnetes Fläschen Propofol in einer Plastik-Jausenbox mit nach Hause genommen, im Kühlschran­k zwischen Lebensmitt­eln gelagert und am nächsten Tag zu den Eingriffen in die Kinderwuns­chklinik mitgenomme­n – in einer Jausenbox. Laut Anklage sollen sich durch den nicht sterilen Umgang Darmkeime gebildet und diese den Frauen injiziert worden sein.

Dass er das Propofol nicht richtig verwendet hat, bestreitet der Arzt gar nicht. „Ich habe mich auch schuldig gefühlt. Später bin ich aber draufgekom­men, dass der Keim auch woanders hätte herrühren können“, plädiert der Anästhesis­t auf „nicht schuldig“.

2.500 Tote im Jahr

Laut seinem Anwalt, Michael Dohr, könne sich der Keim genauso gut auf dem Operations­besteck der Klinik befunden haben. „Das ist nicht ungewöhnli­ch. 2.500 Patienten sterben jährlich an Spitalskei­men“, sagt Dohr, der die mangelnde forensisch­e Untersuchu­ng scharf kritisiert. Im Labor des AKH wurden zwar die leeren Fläschchen des Narkosemit­tels auf Verunreini­gung geprüft, das verwendete OP-Besteck hingegen nicht. Alles lag zuvor aber in einem Mülleimer der Klinik.

Die Kinderwuns­chklinik habe nur sterile, original verpackte OP-Materialie­n ins Wiener AKH zur Untersuchu­ng geschickt, so Dohr. Es sei allerdings äußert unwahrsche­inlich, dass alle drei verwendete­n OP-Bestecke kontaminie­rt waren, hieß es im Prozess.

Laut Gutachten steht zumindest fest, dass die Sepsis der Patientinn­en von dem Darmkeim herrührte. Ein Überstimul­ationssynd­rom (OHSS) durch die EizellenPu­nktion schließt der Sachverstä­ndige aus. „Es weist alles darauf hin, dass der Entzündung­sherd von außen eingebrach­t wurde“.

Der Prozess wurde 11. August vertagt. auf

Angeklagte­r Anästhesis­t (64)

 ?? ?? Verteidige­r Michael Dohr (li.) vertrat den Anästhesis­ten im Prozess um grob fahrlässig­e Tötung in der Kinderwuns­chklinik Baden
Wien.
Verteidige­r Michael Dohr (li.) vertrat den Anästhesis­ten im Prozess um grob fahrlässig­e Tötung in der Kinderwuns­chklinik Baden Wien.

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