Die eigene Familie als Mauer des Schweigens
Beeindruckendes Mafiadrama
Chiara. In diesem Film versucht eine 15-Jährige, die Mauer des Schweigens in ihrer Familie zu durchbrechen. Ein schwieriges Unterfangen, weil in ihrer Heimat Kalabrien das Reden schlecht für Gesundheit und Leben sein kann. Die Gegend gilt als einer der weltweiten Hauptumschlagplätze von Kokain. Und der von der Mafia kontrollierte moralische Abgrund an der Stiefelspitze Italiens saugt alle Ebenen der Gesellschaft tief hinunter.
Chiara, die titelgebende Protagonistin, bemerkt zunächst nichts davon. Die junge Kalabresin ist eine normale Teenagerin: Sie hört Rap-Musik, surft auf Instagram und versteckt sich mit ihren Freundinnen, um heimlich zu rauchen. Am 18. Geburtstag ihrer Schwester beginnt Chiara zu ahnen, dass unter der oberflächlichen Familienidylle etwas Dunkles lauert. Als der Vater verschwindet, macht sie sich auf die Suche nach Antworten.
Sämtliche Protagonisten seines Films fand der Regisseur vor Ort. Wie seine Hauptdarstellerin und deren echte Familie. Sein Hang zu Laiendarstellern legt einen Vergleich mit dem legendären italienischen Neorealismus nahe – etwa mit „Fahrraddiebe“(1948) von Vittorio De Sica.
Innenleben
Und tatsächlich besitzt dieser Film von Jonas Carpignano ähnlich dokumentarischen Charakter. Seine Stärke liegt darin, dass er sich von Erzählkonventionen in Mafia-Filmen abhebt. Diese stellen häufig Gewalt, den Materialismus der Gangster oder die Verästelungen der Organisation ins Zentrum. Carpignano hingegen zeigt das Innenleben einer Familie – und wie deren Verstrickung in die mafiöse Kriminalität zur Belastung für alle wird.