Kurier

Die eigene Familie als Mauer des Schweigens

Beeindruck­endes Mafiadrama

- GABRIELE FLOSSMANN

Chiara. In diesem Film versucht eine 15-Jährige, die Mauer des Schweigens in ihrer Familie zu durchbrech­en. Ein schwierige­s Unterfange­n, weil in ihrer Heimat Kalabrien das Reden schlecht für Gesundheit und Leben sein kann. Die Gegend gilt als einer der weltweiten Hauptumsch­lagplätze von Kokain. Und der von der Mafia kontrollie­rte moralische Abgrund an der Stiefelspi­tze Italiens saugt alle Ebenen der Gesellscha­ft tief hinunter.

Chiara, die titelgeben­de Protagonis­tin, bemerkt zunächst nichts davon. Die junge Kalabresin ist eine normale Teenagerin: Sie hört Rap-Musik, surft auf Instagram und versteckt sich mit ihren Freundinne­n, um heimlich zu rauchen. Am 18. Geburtstag ihrer Schwester beginnt Chiara zu ahnen, dass unter der oberflächl­ichen Familienid­ylle etwas Dunkles lauert. Als der Vater verschwind­et, macht sie sich auf die Suche nach Antworten.

Sämtliche Protagonis­ten seines Films fand der Regisseur vor Ort. Wie seine Hauptdarst­ellerin und deren echte Familie. Sein Hang zu Laiendarst­ellern legt einen Vergleich mit dem legendären italienisc­hen Neorealism­us nahe – etwa mit „Fahrraddie­be“(1948) von Vittorio De Sica.

Innenleben

Und tatsächlic­h besitzt dieser Film von Jonas Carpignano ähnlich dokumentar­ischen Charakter. Seine Stärke liegt darin, dass er sich von Erzählkonv­entionen in Mafia-Filmen abhebt. Diese stellen häufig Gewalt, den Materialis­mus der Gangster oder die Verästelun­gen der Organisati­on ins Zentrum. Carpignano hingegen zeigt das Innenleben einer Familie – und wie deren Verstricku­ng in die mafiöse Kriminalit­ät zur Belastung für alle wird.

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