Keine Gewöhnung an Frauenmorde
Stille vonseiten der Regierung ist die inadäquateste aller Reaktionen auf diese Taten. Denn zu sagen gäbe es sehr viel. Und auch zu tun
Innerhalb von nicht einmal sechs Wochen wurden in Österreich sieben Frauen getötet, bei einer weiteren ist es bei einem Versuch geblieben. Die mutmaßlichen Täter waren meist die Partner oder Ex-Partner, die ihre Frauen erstochen, erschossen oder vom Balkon gestoßen haben. Beim Fall einer 20-Jährigen, der sich am vergangenen Sonntag in Wien-Floridsdorf zugetragen hat, wird der Tathergang noch ermittelt. Die Gewaltakte waren unterschiedlich, bei vielen (auch beim aktuellsten) haben sich die Männer danach umgebracht. Das erschwert es, das Motiv herauszufinden. Eventuell kommt hier ein Nachahmeffekt zum Tragen. Bei zumindest einem dieser Fälle wissen wir von einer belastenden Krankheitsgeschichte.
Was jedoch die meisten der insgesamt in Österreich verübten Frauenmorde gemein haben – irrelevant, ob geplante Trennungstötung, Affekthandlung oder Rachetat: diese Männer nehmen sich das Recht heraus, über das Leben ihrer Frauen zu entscheiden. Damit erfüllen sie das Kriterium des Femizids, weil die Tat vermutlich aus Frauenhass oder ihrem Besitzdenken heraus resultiert.
Es sind auch meist Männer, die – begleitet von einem zynischen Unterton – fragen, ob nun jeder Mord an einer Frau ein Femizid sei. Wenn bei einem Banküberfall die Frau am Schalter erschossen wird, ist dies kein Femizid: das Motiv war Habgier, das Geschlecht hat keinen Unterschied gemacht. Bei Femiziden jedoch lautet die Antwort auf diese eine Frage immer ja: Würde sie noch leben, wenn sie keine Frau wäre? Letztlich urteilen allerdings die Gerichte darüber, ob von einem Mord bzw. Femizid gesprochen werden darf. Zwischen 13. Mai und 22. Juni mussten wir in Österreich wieder eine alarmierende Häufung von Frauenmorden beobachten. Vonseiten der Regierung haben wir bloß eines gehört: alarmierende Stille. Dabei gäbe es viel zu sagen und auch zu tun: Beileid bekunden, ein Versprechen der Untersuchung, ständiges Überarbeiten der Gewaltschutzmaßnahmen und das Bereitstellen von ausreichend finanziellen Mitteln dafür, bereits im frühkindlichen Alter Rollenbilder von Mann und Frau thematisieren, um patriarchale Denkmuster und Gewaltgeschichten nicht zu verfestigen und fortzusetzen.
Aufarbeitungen durch Intensivierung der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Diese Taten nicht als ein individuelles, sondern als ein strukturelles Problem realisieren und ernst nehmen. All das ist unerlässlich im Kampf gegen Männergewalt, wissend, dass wir niemals jeden Frauenmord verhindern werden können, denn nicht alle Täter haben eine Gewaltvorgeschichte oder waren amtsbekannt. Österreich ist ein sicheres Land – geschieht ein Mord, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um einen Femizid handelt. Aus dieser Sichtweise heraus muss dem Kriminalitätsphänomen höchste Priorität zugestanden werden. Empörung darf nicht ausbleiben. Sonst laufen wir Gefahr, dass wir uns in der Gewöhnung an diese Taten verlieren.