Kurier

Impfpflich­t: Nie „scharf“, jetzt endgültig abgeschaff­t

Regierung sieht zu wenig Effekt und zu viel Polarisier­ung

- VON RUDOLF MITLÖHNER UND CAROLINE BARTOS

Die Impfpflich­t sei unter anderen Voraussetz­ungen eingeführt worden, als sie heute gegeben seien, begann Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) sein Statement, an dessen Ende die Verkündung des Endes der Impfpflich­t stand. Er habe deren Einführung (in Kraft trat sie Anfang Februar, damals war noch Wolfgang Mückstein Gesundheit­sminister) seinerzeit selbst befürworte­t – aber die Corona-Variante Omikron habe die Lage verändert; insbesonde­re in den Spitälern sei die Situation deutlich entspannte­r.

Vor allem zwei Argumente brachten Rauch und ÖVP-Klubobmann August Wöginger, die gestern gemeinsam vor die Medien traten, für die Entscheidu­ng der Regierung vor: dass die Impfpflich­t nicht den erwünschte­n Effekt gebracht und dass sie zur Polarisier­ung der Gesellscha­ft geführt habe.

Die Impfpflich­t hindere manche Menschen sogar, sich impfen zu lassen, weil sie sagten: das lasse ich mir nicht vorschreib­en, meinte Rauch. Die Bereitscha­ft zur Impfung könne nur auf Freiwillig­keit basieren, so die aktuelle Erkenntnis des Ministers. Und Wöginger räumte ein: „Wir haben keinen Menschen zusätzlich zum Impfen gebracht.“

Aber auch die gesellscha­ftlichen Verwerfung­en, welche das Thema Impfen bzw. Impfpflich­t ausgelöst habe, wurden angesproch­en. Bis hin zum Mittagstis­ch sei die Polarisier­ung gegangen, meinte Wöginger. Und Rauch mahnte mit Blick auf die krisenhaft­e Gesamtlage: „Wir brauchen jeden Millimeter Solidaritä­t und Zusammenha­lt.“Daher gelte es nun, Gräben wieder zuzuschütt­en.

Ein Antrag zur Abschaffun­g wurde am Donnerstag in der Sondersitz­ung des Nationalra­ts eingebrach­t, im Juli soll die Beschlussf­assung erfolgen. Wirklich gegolten hat die Impfpflich­t ohnedies nie: Auf Empfehlung einer von der Regierung eingericht­eten Expertenko­mmission wurde sie Anfang März – kurz, bevor Verstöße gegen die Impfpflich­t auch bestraft werden sollten – zunächst bis Juni ausgesetzt; Ende Mai wurde diese Regelung bis Ende August verlängert.

„Hätten wir das gebraucht“

Der Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter meinte gegenüber dem KURIER, er könne mit der Abschaffun­g gut leben – aber „die Frage ist, hätten wir das überhaupt gebraucht“. Er habe schon im November, als eine generelle Impfpflich­t angekündig­t wurde, diese Entscheidu­ng nicht für plausibel gehalten.

Allerdings könnte die Abschaffun­g zum jetzigen Zeitpunkt, angesichts wieder steigender Zahlen, ein problemati­sches Signal sein. Die Gefahr bestehe zudem, dass damit die Impfung an sich in Misskredit gebracht werde.

Hutter trat auch der Argumentat­ion Rauchs entgegen, wonach Omikron die Regeln verändert habe. Für Ungeschütz­te (nicht geimpft und auch nicht genesen) sei Omikron genauso oder fast so gefährlich wie frühere Varianten. Dass die Omikron-Phase milder verlaufen sei, liege eben daran, dass viele Menschen geimpft und/oder genesen waren.

War kein „großer Heuler“

Zustimmung zur Abschaffun­g bereits vor der Pressekonf­erenz von Rauch und Wöginger kam vom Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ). „Ich werde mich nicht dagegen wehren. Das war nicht unsere Idee in Wien, wir haben es mitgetrage­n“, sagte er, und: „Der große Heuler war es nicht.“Da die Impfpflich­t offensicht­lich „zu negativer Emotion zum Impfen“geführt habe, sei „es wahrschein­lich gescheiter, die Impfpflich­t abzuschaff­en“. Wöginger begrüßte dann in der Pressekonf­erenz ausdrückli­ch diese Stellungna­hme Hackers.

„Ab sofort“abgeschaff­t wird die Impfpflich­t im niederöste­rreichisch­en Landesdien­st. „Für mich standen immer die Aufklärung und ein gutes Angebot an positiven Impfanreiz­en im Vordergrun­d“, meinte Gesundheit­slandesrät­in Ulrike Königsberg­er-Ludwig (SPÖ). Die Bundesregi­erung sei nun aufgeforde­rt, eine gute Kampagne für den Herbst gemeinsam mit den Ländern auf den Weg zu bringen. „Denn nach wie vor gilt, dass die Impfung ein guter Schutz vor schweren Krankheits­verläufen ist.“

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Bereitscha­ft zur Impfung könne nur auf Freiwillig­keit basieren, lautet jetzt die Devise der Regierung
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„Brauchen jeden Millimeter Solidaritä­t und Zusammenha­lt“(J. Rauch)

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