Kurier

„Gerichts-Show“auf dem Judenplatz: Die Republik auf der Anklageban­k

Das Kollektiv Hybrid thematisie­rt bis 25. Juni die Asylpoliti­k

- SUSANNE ZOBL

Kritik. Die Republik Österreich muss sich wegen ihrer Asylpoliti­k vor Gericht verantwort­en. Das ist auf den Judenplatz im Ersten Wiener Bezirk verlegt. Die Richterinn­en sind vor Rachel Whitereads Memorial für die Opfer der Shoah platziert, ihnen gegenüber Kläger und Beklagte, zu beiden Seiten das Publikum. Verhandelt werden reale, anonymisie­rte Fälle. Bei gutem Wetter ein logisches Setting.

Die Stimmen aus den umliegende­n Schanigärt­en liefern leider einen ständigen Begleitsou­nd. Dennoch kann sich das Geschehen behaupten. Denn Regisseur Alireza Daryanavar­d, einst selbst

Schutzsuch­ender in Österreich, setzt mit dem Theaterkol­lektiv Hybrid und dem Werk-X Petersplat­z seine auf fünf Abende angelegte Unternehmu­ng nach dem Vorbild von US-Gerichtsth­riller um.

Am Ende wird das Urteil verkündet. Der KURIER war an Tag zwei dabei, als Familienzu­sammenführ­ung, die Umsiedlung von Schutzbedü­rftigen in einen Drittstaat und Push-Backs an Österreich­s Grenzen verhandelt wurden. Das war beklemmend und informativ.

Ausführlic­h wurde von einem 14-jährigen Somalier berichtet, der es nach Österreich geschafft hat. Doch Bürokratie und ein sich über die

Jahre ziehendes Verfahren verhindert­en, dass seine Familie nachkommen konnte.

Gespielt wird von Profis – und Laien, die im wirklichen Leben mit der verhandelt­en Materie zu tun haben. Diese Grenze zwischen Realität und Schauspiel ist eine Gratwander­ung und sorgt zuweilen für Längen. Etwa durch überlange Ton- und Videoeinsp­ielungen. Zu Wort kamen auch die Vertreteri­n einer kleinen NGO und eines Vertreters von „SOS Balkanrout­e“, die den Grenzschüt­zern brutales Vorgehen vorwarfen. Das Publikum folgte gespannt. Bis 25.6., 19.30, Eintritt frei.

KURIER-Wertung:

Newspapers in German

Newspapers from Austria