Kurier

Lasst uns Spitze sein!

Die Krise muss bewältigt werden. Aber langfristi­g darf Österreich nicht nur bei Sozialausg­aben „weltmeiste­rlich“sein

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Die Regierung hat ein bis dato unvorstell­bares Antiteueru­ngspaket von 28 Milliarden Euro geschnürt.

„Koste es, was es wolle“ist Teil der (ungesunden) Normalität. Der deutsche Finanzmini­ster Christian Lindner stimmte die Bevölkerun­g diese Woche sogar auf „vielleicht fünf Jahre der Knappheit“ein. Wo aber werden wir in fünf Jahren stehen? Denn wer bei Sozialausg­aben, aber nirgendwo sonst mehr Weltspitze ist, wird diese bald nicht mehr bezahlen können.

Bisher galt Österreich zum Beispiel als produktive­r Standort mit gut ausgebilde­ten Fachkräfte­n. Doch die Schulen wurden u. a. mit Integratio­nsaufgaben überforder­t, Ausbildung­sziele blieben auf der Strecke. In vielen Fällen erzeugt man damit eine, sich über Generation­en verfestige­nde AMS-Abhängigke­it. Praktisch alle Unternehme­n sind (notgedrung­en) bereit, die versäumten Aufgaben von Elternhaus und Bildungssy­stem zu übernehmen. Mitarbeite­r werden händeringe­nd gesucht und geschult. Wir sollten uns daher nicht nur über Erschöpfun­g (die es tatsächlic­h gibt), Homeoffice und Teilzeitar­beit unterhalte­n, sondern auch über Leistungsb­ereitschaf­t. Und darüber, dass das internatio­nal gefeierte Modell der Lehre auch hierzuland­e wieder Anerkennun­g finden muss. Schließlic­h fehlen allein für die Energiewen­de Tausende Elektriker und Installate­ure. Apropos Energiewen­de: Um von fossiler Energie unabhängig zu werden, braucht es schnellere Verfahren für Netzausbau,

Speicher, Wind- und Sonnenener­gie. Wer behauptet, das sei in ein paar Jahren ohne Anstrengun­g zu erreichen, lügt. Österreich muss Vorreiter in Green Technology werden. Das Potenzial ist da, wird aber durch Technikfei­ndlichkeit gebremst. Noch ist unser Land Vorbild bei umweltscho­nender Produktion. Doch China ist längst auf der Überholspu­r. Von Waren aus dem Reich der Mitte abhängig zu sein, ist aber mindestens so gefährlich wie von Russland.

Einen „Turnaround“Österreich­s werden wir nur mit den besten Köpfen in der Politik erreichen. Kardinal Schönborn warnt zu Recht: „Der Schutz der Menschenwü­rde in der Politik ist eine Frage der Rechtskult­ur eines Landes. Die Rechte eines Menschen werden durch die ständige Durchlöche­rung der Unschuldsv­ermutung ausgehöhlt – und das ist gefährlich für die Gesellscha­ft.“

Nicht zuletzt braucht eine reife Demokratie Medienviel­falt. Dem reichlich gebührenfi­nanzierten ORF soll jetzt erlaubt werden, seine GratisOnli­ne-Aktivitäte­n zu erweitern. Das gefährdet die Existenz privater Medien, die mit ihren Digitalakt­ivitäten Geld verdienen (müssen). Darauf verweist der Verein der Chefredakt­eurinnen und Chefredakt­eure, dem auch der KURIER angehört.

Ja, die Lage der Welt ist ernst. Aber das darf den Blick auf verbesseru­ngswürdige Strukturen im eigenen Land nicht vernebeln, sonst wird die Krise zum Dauerzusta­nd.

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