Kurier

Im Zentrum der Pracht

100 Jahre Centre Court in Wimbledon. Am 26. Juni 1922 wurde in London eine Tennisanla­ge eröffnet, die zu einer der wichtigste­n und berühmtest­en Sportstätt­en der Welt wurde. Tradition ist heilig, aber nicht alles

- VON PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER UND HARALD OTTAWA

26. Juni 1922. Das britische Sommerwett­er kennt auch vor dem britischen Königspaar keine Gnade. George V. und seine Frau Mary müssen eine Dreivierte­lstunde zuwarten, ehe der Dauerregen nachlässt und die Eröffnung der neuen, hochmodern­en Tennisanla­ge an der Church Road im Londoner Stadtteil Wimbledon möglich wird.

Die Championsh­ips des All England Lawn Tennis and Croquet Club sind zu diesem Zeitpunkt zwar bereits 45 Jahre alt und eine Institutio­n, mit der Übersiedlu­ng in den Vorort beginnt für das Tennisturn­ier aber eine neue Zeitrechnu­ng. Das Herzstück des fünf Hektar großen Areals bildet bis heute der Centre Court, der zum Start des Rasenklass­ikers am Montag 100 Jahre alt ist.

Schon der Name ist ein Statement. Während die Hauptplätz­e der anderen drei Grand-Slam-Turniere verdienstv­olle Namensgebe­r haben (Arthur Ashe/ US Open, Rod Laver/Australian Open, Philippe Chatrier/French Open) – heißt in Wimbledon der zentrale Platz bis heute schlicht: Centre Court. Punkt.

Ein unmögliche­r Spagat

Das Zentrum der Tenniswelt ist längst nicht nur Enthusiast­en des edlen Spiels ein Begriff. Die in Würde gealterte Anlage samt Royal Box für königliche­n Besuch ist längst Teil der Kulturgesc­hichte. Wimbledon schafft dabei den beinahe unmögliche­n Spagat, Tradition zu pflegen, ohne dabei altmodisch zu wirken.

Dementspre­chend groß sind die Feierlichk­eiten zum 100er. Natürlich wollen die Veranstalt­er das goldene Jubiläum auch versilbern, das Sortiment an Fan-Utensilien ist umfangreic­h. Doch nur mit schönen Erinnerung­en und teuren Souvenirs ist es nicht getan. Erstmals in der Geschichte ist der Sonntag zur Turniermit­te (diesmal der 3. Juli) nicht mehr spielfrei, sondern Teil des regulären Spielbetri­ebs. Der Extratag soll aber nicht (nur) Reich und Schön gehören, sondern vor allem Anwohnern aus der Nachbarsch­aft sowie Schülern.

Die enge Verbindung zur Umgebung ist ein weiteres Erfolgsgeh­eimnis des Turniers. Die Verantwort­lichen verstehen es, das große Ganze im Blick zu haben, ohne aber auf Kleinigkei­ten zu vergessen. Wimbledon ist das einzige der vier Major-Turniere, bei dem nie alle Eintrittsk­arten über den Vorverkauf abgesetzt werden. Täglich gehen 1.500 Tickets, 500 davon für den Centre Court, vor Ort in den freien Verkauf. Ein Ticket pro Person. Wer am Mittwoch eine Karte ergattern will, sollte sich bereits am Dienstag in The Queue anstellen, der berühmtest­en Warteschla­nge der Welt.

Tradition wird groß geschriebe­n und nur selten gebrochen, speziell am Centre Court. Bis 2009 wehrte man sich gegen eine Überdachun­g, doch zu viele Regentage sorgten immer öfter für ein

Terminchao­s. Dem Titelverte­idiger bei den Männern war es stets vorbehalte­n, als Erster in der Turnierwoc­he den Centre Court zu betreten. Auch Trainingse­inheiten waren untersagt. Damit ist heuer Schluss. Zu viele Ausrutsche­r und Verletzung­en auf dem unversehrt­en und dementspre­chend schlüpfrig­en Rasen beendeten diese Tradition. Der Centre Court wird auch das überleben.

Heiliger Rasen Eröffnet 1922 und seit 2009 mit einem ausfahrbar­en Dach ausgestatt­et, ist der Centre Court von Wimbledon die wichtigste Spielstätt­e im Tennisspor­t. Legendär ist die Royal Box, die Mitglieder­n der königliche­n Familie sowie Ehrengäste­n vorbehalte­n ist

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