Gewessler nimmt Russen ihren Gasspeicher in Haidach weg
Der Notfallplan des Energieministeriums steht. Was dann alles passiert
Zur Stunde sind Österreichs Gasspeicher zu rund 43 Prozent gefüllt, bis Herbst sollten die Speicherstände auf 80 Prozent erhöht werden. Österreich hat den Vorteil, derart große Speicher zu besitzen, dass mehr als ein Jahresvorrat eingespeichert werden kann. Doch der zweitgrößte Erdgasspeicher Europas in Haidach in Salzburg ist derzeit im Besitz der russischen Gazprom – und völlig leer.
Entzug der Nutzung
Wenn die Russen diesen bis Anfang Juli nicht zumindest zu zehn Prozent füllen (was technisch gar nicht mehr möglich ist), können die Nutzungsrechte vom Energieministerium entzogen werden – der Speicher wird quasi verstaatlicht.
Sollte das Worst-CaseSzenario eintreten und Russland seine Gaslieferungen auch nach Österreich plötzlich stoppen, würde Energieministerin Gewessler die „Notfallstufe Gas“ausrufen. Betriebe wären verpflichtet, an der neuen Handelsplattform FlexMOL teilzunehmen, um den Verbrauch drastisch senken zu können.
Österreich ist in einem hohen Ausmaß von russischen Gasimporten abhängig. „Aber Russland ist kein verlässlicher Partner mehr. Russland setzt Energielieferungen als Waffe ein. Wir spüren diese Auswirkungen im Moment sehr deutlich“, erklärt Energieministerin Leonore Gewessler von den Grünen am Wochenende.
Sie alarmiert und beruhigt zugleich. Die Experten des Ministeriums würden immer wieder die Krisenszenarien durchrechnen – für den Fall, dass der russische Präsident Wladimir Putin beschließe, aus Vergeltung gegen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland die Gasimporte nach Europa zu kappen. „Deshalb überwachen wir die Situation rund um die Uhr. Und wir bereiten uns auf den absoluten Ernstfall vor“, sagt die Ministerin. Kurz gesagt: Die Bundesregierung habe belastbare Notfall-Pläne, falls Russland den Gashahn morgen zudrehen sollte.
Die Lage ist also ernst und kann jede Minute dramatisch werden. Österreichs Gasspeicher sind Stand Sonntag zu rund 44 Prozent gefüllt, der Speicherstand kletterte zuletzt täglich um 0,2 Prozent weiter nach oben. Ziel der Bundesregierung ist es, bis Herbst einen Füllstand von 80 Prozent aller Speicher zu erreichen, mit dem Österreich problemlos über den Winter kommen würde.
Alle Gasspeicher? Die russische Gazprom-Tochter GSA besitzt einen der größten Gasspeicher in Österreich – in Haidach in Salzburg. Haidach ist der zweitgrößte Speicher Mitteleuropas. Und dieser Speicher ist aktuell zu null Prozent gefüllt.
Deshalb hat das Parlament mit Zweidrittel-Mehrheit bereits vor Wochen der Energieministerin einen juristischen Werkzeugkasten genehmigt, mit dem sie den (absichtlich) ungenutzten Speicher Haidach (Bild) quasi beschlagnahmen kann: „Nütze ihn, oder er ist weg“(„use it or lose it“) heißt die Regelung. Unternehmen, die zum Stichtag 1. Juli weniger als 10 Prozent Gas eingespeichert haben, können die Nutzungsrechte vom Energieministerium entzogen werden.
Tricksen geht sich übrigens auch nicht mehr aus: In den verbleibenden vier Tagen wird es GSA technisch gar nicht möglich sein, noch über die zehn Prozent zu kommen. Die Nutzungsrechte werden dann von der Betreiberfirma, der österreichischen RAG, neu vergeben. Was dann noch fehlt, ist den Speicher an das österreichische Gasnetz anzuschließen, denn bisher sind die Leitungen nur nach Deutschland ausgebaut. Das soll bis Ende des Jahres ebenfalls erledigt sein.
Entspannter als Habeck
Warum aber scheint Gewessler bezüglich der Gasversorgung deutlich entspannter zu sein als ihr deutscher Amtskollege Robert Habeck?
Deutschland hat vor wenigen Tagen wegen stark reduzierter Gaslieferungen die „Alarmstufe“ausgerufen, das ist die zweite von drei Eskalationsstufen des deutschen „Notfallplans Gas“. In Österreich gilt, trotz einer gedrosselten Liefermenge, nur die Frühwarnstufe. „Unsere Versicherung sind unsere großen
Gasspeicher“, erklärt Gewessler dazu. Österreich kann, wie kaum ein anderes Land in Europa, einen Jahresbedarf an Gas unterirdisch bunkern. Gewessler: „Das zentrale Ziel ist deshalb: Volle Speicher vor dem nächsten Winter. Wir brauchen alternative Lieferländer. Und wir müssen raus aus Erdgas. Denn echte Unabhängigkeit gibt es nur, wenn wir unsere Energie selbst erzeugen.“
Fließt kein Gas mehr, wird Ministerin Gewessler zuerst die Alarmstufe und dann die Notfallstufe ausrufen müssen. Dann würden sofort ganz neue Regeln am Gasmarkt gelten (siehe unten links).