Wien möchte allen ab 12 Jahren sofort den vierten Stich verpassen
Die Stadtregierung prescht mit ihrer Corona-Impfstrategie erneut vor
Wien startet einen neuen Anlauf, um mehr Menschen zur Corona-Impfung zu bewegen und vereinfacht den Zugang zum vierten Stich: Ab sofort sollen sich alle Wienerinnen und Wiener ab einem Alter von 12 Jahren, deren Drittimpfung bereits sechs Monate her ist, ihre Auffrischung holen. Auch all jene, deren letzter Stich erst vier Monate her ist, können – so sie wollen – in ein städtisches Impfzentrum kommen. Die rot-pinke Stadtregierung will mit der Impfoffensive den drohenden Infektionswellen, die sich für Sommer und Herbst abzeichnen, entgegenwirken.
Sie prescht damit – mit Blick auf den Bund und andere Bundesländer – wieder einmal vor. Bundesweit gilt derzeit die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums, die von der Wiener Regelung abweicht: Das Gremium sieht den vierten Stich dezidiert erst für alle Personen ab 80 Jahren vor. Für Über-65-Jährige lautet die Vorgabe, dass eine solche Auffrischung erfolgen „kann“. Für jüngere Personen ist die Viert-Impfung derzeit nicht empfohlen, soll aber auf Wunsch auch „nicht vorenthalten werden“.
Andere Regelauslegung
In Wien sieht man sich übrigens im Einklang mit den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums. Man lege die Anwendungsempfehlung nur weit aus: Diese sehen nämlich „bei medizinischer Indikation oder epidemiologischen Anlässen“die Möglichkeit einer Impfung vor.
„Unter epidemiologische Ereignisse fallen zum Beispiel die vor uns liegende Infektionswelle im Sommer“, heißt es aus dem Büro des Wiener SPÖ-Gesundheitsstadtrats Peter Hacker. Ebenso wie der „Kontakt zu Personen mit Risikoerkrankungen, eigene Risikoerkrankungen, der Besuch von Angehörigen vulnerabler Gruppen oder auch bei hoher Kontaktfrequenz im Alltag, am Arbeitsplatz, bei Veranstaltungen oder vor anstehenden Reisen“. Das rechtfertige die vierte Impfung für alle bereits nach vier Monaten.
„Karten neu gemischt“
Der Infektiologe Herwig Kollaritsch hält den Wiener Sonderweg auf KURIER-Anfrage für vernünftig: „Wien nutzt einfach den Spielraum ein bisschen aus. Wir haben ja lange nicht mit einer Sommerwelle gerechnet, aber jetzt, wo sie kommt, können wir sie nicht einfach so durchrauschen lassen, sondern müssen darauf reagieren.“Die Karten seien neu gemischt, so Kollaritsch. „Jede Erkrankung, die man verhindern kann, ist ein Gewinn.“
Relevant könnte der vierte Stich vor allem für jene sein, die noch gar nie infiziert waren. „Mit drei Impfungen und einer durchgemachten Infektion sollte ein aufrechter Immunschutz gegeben sein. Diese Personen dürften gut durch den Herbst kommen“, sagte die Virologin Dorothee von Laer vergangene Woche im KURIER. Wichtig sei für diese Personen eine Impfung mit dem angepassten Impfstoff vor dem Winter.
Im grünen Gesundheitsministerium wollte man am Sonntag kein Statement abgeben. Für die Impfauffrischung werde es aber noch diese Woche eine Empfehlung des Nationalen Impfgremiums geben, so Minister Johannes Rauch in der ORF-„Pressestunde“.