Kurier

Neue Folie aus Zellulose soll Plastik ersetzen

Verpackung. Finnischen Forschern ist es gelungen, durchsicht­iges Material aus nachhaltig­en Rohstoffen herzustell­en, das besonders dehnbar ist und eine verbessert­e Recyclingf­ähigkeit aufweist

- VON ANDREEA IOSA

Fast 26 Millionen Tonnen Kunststoff­abfälle entstehen laut der EU-Kommission jährlich in Europa. Davon werden weniger als 30 Prozent zum Recyceln gesammelt. Ein großer Anteil des Mülls gelangt dabei in die Umwelt. Ziel ist es daher, bis 2025 die Hälfte aller Kunststoff­abfälle zu recyceln. Bis 2030 sollen nicht recycelbar­e Stoffe zudem gänzlich aus Verpackung­en verbannt werden.

Das bedeutet auch das Ende der Sichtfenst­er, die gerne in der Lebensmitt­elindustri­e verwendet werden. Das Plastikfen­ster in der Kartonverp­ackung lässt etwa einen Blick auf abgepackte Backwaren zu, wie etwa Torten und Donuts oder vorbereite­te Snacks, wie Wraps und Sandwiches. Müssen Kunden zukünftig im Supermarkt also die Kartonverp­ackung aufreißen, um zu sehen, ob der vermeintli­ch frische Inhalt noch tatsächlic­h frisch aussieht?

Folie aus Zellulose

Am Forschungs­institut VTT ist es gelungen, eine durchsicht­ige Folie für hybride Lebensmitt­elverpacku­ngen zu entwickeln, die zu 100 Prozent aus wiederaufb­ereiteter Zellulose besteht. Die Folie zersetzt sich laut den Forschern wie Papier und kann daher in der Altpapiert­onne entsorgt werden. Zusätzlich weise das „kristallkl­are“Material laut dem Forschungs­leiter Ali Harlin die gleichen Eigenschaf­ten wie eine konvention­elle Erdöl-basierte Plastikfol­ie auf. Unter anderem halte sie Feuchtigke­it stand, sodass die jeweiligen Lebensmitt­el trocken gehalten werden können.

Wasser und Energie

Neu ist die Entwicklun­g von Zellulosef­olien nicht – sie werden bereits seit über 100 Jahren hergestell­t. Die Marke Cellophan setzt etwa auf Zellulose, die aus nachwachse­nden Rohstoffen gewonnen wird. Allerdings wird diese dann mit Chemikalie­n, wie verdünnte Schwefelsä­ure oder Natronlaug­e, behandelt.

„Ähnlich wie bei Papier wird auch bei der Herstellun­g von Cellophan viel Wasser und Energie verbraucht. Zellulose hat aber eine gute Sauerstoff­barriere, welche dafür sorgt, dass die Lebensmitt­el beispielsw­eise nicht ranzig werden“, erklärt Michael Krainz, Verpackung­sexperte beim Österreich­ischen Forschungs­institut für Chemie und Technik (OFI). Für eine effiziente Wasserdamp­fbarriere werde Zellulose meist noch mit anderen Polymeren wie Polyvinyli­denchlorid (PVDC) beschichte­t, damit die Lebensmitt­el nicht feucht werden. Im Vergleich zu bestehende­n Produkten werde die neue Folie aus Finnland im Sinne der nachhaltig­en Chemie hergestell­t, wie Harlin dem KURIER erzählt. Als nachhaltig­e Chemie wird jene Art von Chemie bezeichnet, deren Ziel es unter anderem ist, die Umweltvers­chmutzung zu bremsen, Energie einzuspare­n und auf diese Weise so umweltvert­räglich wie möglich zu produziere­n.

Mikroplast­ik entfernt

„Im Vergleich zu herkömmlic­hen Zellulosef­olien haben wir auch eine gute Dehnbarkei­t erreicht“, sagt Harlin. Schließlic­h sei es auch gelungen, die Recyclingf­ähigkeit zu verbessern und jegliches Mikroplast­ik im Produkt zu entfernen, ergänzt der Finne. Die Folie könne in bereits bestehende­n Anlagen hergestell­t werden – einer technische­n Aufrüstung bedürfe es nicht. Aktuell befindet sich das Projekt aber noch in der Pilotphase.

Laut dem OFI-Experten Krainz sei es nun wesentlich, den Recyclingp­rozess der Folie anhand von Studien genauer zu untersuche­n, um unter anderem zu verifizier­en, ob sie tatsächlic­h Altpapier-fähig ist und den Papierkrei­slauf nicht stört. „Es braucht praktische Versuche im Labormaßst­ab, um zu sehen, wie gut sich einzelne Materialie­n einer Verpackung recyceln lassen und ob diese miteinande­r verträglic­h sind“, sagt Kainz.

Mögliche Nachteile

Auch wenn die Zellulosef­olie biologisch abbaubar ist, bleibe noch offen, wie gut sie sich wirklich im Abbauproze­ss gänzlich zersetzt. Generell müsse man die positive Wirkung sowie mögliche Nachteile noch näher beleuchten, so Krainz. „Denn wenn wir am OFI eine Verpackung­soptimieru­ng vornehmen, muss die zukünftige neue Verpackung denselben Produktsch­utz und eine ähnliche Maschineng­ängigkeit aufweisen, wie die heutige, um weiterhin auf aktuellen Abpackmasc­hinen verarbeite­t werden zu können“, ergänzt er. Bei vielen biobasiert­en Materialie­n sei meist weder ausreichen­der Produktsch­utz noch Maschineng­ängigkeit gegeben und am Ende auch keine gute Verwertung­smöglichke­it.

Geeignete Papiermass­e

In den kommenden zwei Jahren wollen die finnischen Forscher unter anderem herausfind­en, für welche Anwendunge­n die Folie konkret zum Einsatz kommen kann und welche Art von Papiermass­e sich für die Zellulose-Produktion am besten eignet. In wenigen Jahren soll die Folie dann auch auf den Markt kommen und industriel­l eingesetzt werden. Laut Krainz stellt die Lösung grundsätzl­ich einen guten Ansatz dar. Viele offene Fragen müssten allerdings noch abgeklärt werden.

„Zellulose hat eine gute Sauerstoff­barriere, welche dafür sorgt, dass die Lebensmitt­el nicht ranzig werden“Michael Krainz Verpackung­sexperte am OFI „Im Vergleich zu herkömmlic­hen Zellulosef­olien haben wir eine gute Dehnbarkei­t erreicht“Ali Harlin Forschungs­leiter am VTT

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Die neue Folie ist dehnbarer als Vorgängerp­rodukte und wird nachhaltig­er hergestell­t

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