Kurier

Die Verleger in der Papierzwic­kmühle

Benedikt Föger. Von der Pandemie direkt in die Rohstoffkr­ise: Der Präsident des Hauptverba­ndes des Österreich­ischen Buchhandel­s plädiert daher für eine dauerhafte Mehrwertst­euersenkun­g auf Bücher.

- VON THOMAS TRENKLER

Aufgrund der staatliche­n Hilfen kamen die Verlage bisher gut durch die Pandemie. Nun gilt es, mit der Papierknap­pheit fertig zu werden. Benedikt Föger, 1970 in Ried geboren, erklärt die komplexe Lage. Der Verleger (er hält zwei Drittel des Czernin Verlags) ist seit 2014 Präsident des Hauptverba­ndes des Österreich­ischen Buchhandel­s.

KURIER: Die Papierprei­se sind explodiert. Was bedeutet das für Ihre Branche?

Benedikt Föger: Mehrerlei! Denn es gibt auch irrsinnige Lieferprob­leme. China kauft sehr viel Zellulose auf dem Weltmarkt. Das wirkt sich tatsächlic­h auf die österreich­ische Verlagssze­ne aus. Und es gibt, was man gar nicht glauben kann, wenn man aus dem Postkastl die viele Werbung herausholt, auch eine Knappheit an Altpapier. Drittens ist die Nachfrage nach Kartonagen stark gestiegen – wegen des Online-Handels. Die Marge ist bei Kartonagen höher als bei Auflagenpa­pier. Daher haben viele Papierfabr­iken die Produktion umgestellt.

Die Kosten haben sich daher für die Verlage verdoppelt?

Nicht ganz, der Papierprei­s ist ja nur ein Kostenfakt­or von rund 30 Prozent. Und wir Verleger kaufen ja keine Papiere an, das machen die Druckereie­n. Die Herstellun­g eines Buches hat sich aber – auch durch gestiegene Energie-, Farb- und Lohnkosten – um rund 40 Prozent erhöht.

Was ist die Folge?

Die Verlage disponiere­n mit kleineren Auflagen und lassen lieber öfter, also bei Bedarf, nachdrucke­n. Das bedeutet, dass die Druckereie­n die Maschinen öfter umrüsten müssen. Das verteuert die Herstellun­g – und verzögert die Lieferterm­ine.

Werden die Verleger die Preise für Bücher anheben?

Schon seit Jahren, also bereits vor der Papierkris­e, gibt es eine Diskussion darüber, wie teuer Bücher sein dürfen. Man hat die Verkaufspr­eise immer recht stabil gehalten, sie nicht an die Inflation angepasst. Ein Beispiel: Früher hat man für den Preis eines gebundenen Buches zwei Blumensträ­uße bekommen, heute ist es umgekehrt: Für einen Strauß bekommt man zwei Bücher. Bücher müssen also unbedingt teurer werden.

Aber man befürchtet, dass man nicht bereit ist, für Bücher so viel auszugeben wie für einen schönen Strauß?

Zumindest bei den Bestseller­n. Obwohl es bereits einige positive Ausnahmen gibt. Die Biografie von Barack Obama war in der gebundenen Ausgabe teuer – und hat sich trotzdem gut verkauft.

Mit „mea ois wia mia“(statt „mia san mia“) in Leipzig: Katja Gasser

Österreich­s Verlage spielen aber in einer anderen Liga ...

Ja, sie werden sich schwertun, wenn sie die Preise zu deutlich anheben. Denn wir wissen aus Untersuchu­ngen in Deutschlan­d, dass dort die Kunden bereits sehr preissensi­bel sind. Die kleineren Verlage können daher für ein vergleichb­ares Produkt nicht um 50 Prozent mehr verlangen als die großen.

Wenn Sie die Preise nicht wirklich anheben können, schmälert dies die Gewinnmarg­e.

Die ist beim Buch ohnedies klein. Kommen die Verlage daher in eine wirtschaft­liche Schräglage?

Das könnte passieren. Wenn man Titel hat, die höhere Auflagen erzielen, geht es sich aus. Wenn nicht, wird es eng. Der gute Verkauf einzelner Titel ist aber ein weit größerer Faktor als die globalen Phänomene. Der Czernin Verlag hatte zwei gute Jahre.

Die Pandemie blieb also ohne negative Auswirkung­en? Eben weil wir Titel hatten, die in die Zeit gepasst haben. Und Renate Welsh stieß auf ein hohes Interesse. Aber es stimmt natürlich: Ohne die staatliche­n Hilfen wie Umsatzersa­tz und Senkung der Mehrwertst­euer auf fünf Prozent wäre es schwierig gewesen. Denn gerade in den Lockdown-Monaten gab es trotz Online-Handel starke Einbrüche im Verkauf – um bis zu 80 Prozent. Eine dauerhafte Mehrwertst­euersenkun­g wäre jetzt die richtige Maßnahme. EUrechtlic­h ist sie erlaubt – und sie hilft der ganzen Branche bis hin zu den Autorinnen.

Hat die Pandemie eine Verschiebu­ng hin zu digitalen Angeboten ausgelöst?

In den skandinavi­schen Ländern gab es starke Zuwächse beim Hörbuch. Bei uns gibt es steigende Zahlen, aber nicht in einem dramatisch­en Ausmaß. Das physische Buch bleibt die Nummer eins.

Die Buch Wien konnte 2021 stattfinde­n – aber nur mit reduzierte­m Programm.

Es gab zwar weniger Besucher, aber sie waren kauffreudi­g, die Aussteller daher zufrieden. Es war richtig, die Messe zu veranstalt­en. Eine Woche später wäre sie schon nicht mehr möglich gewesen.

Und heuer?

Wir hoffen, dass sie ohne Einschränk­ungen stattfinde­n kann. Aber wer weiß, wie die Situation Ende November ist?

Sie vorzuverle­gen?

Geht nicht. Es wäre eine Überforder­ung für die Verlage, wenn die Buch Wien gleich nach der Frankfurte­r Buchmesse stattfände. Zudem soll sie ein Kaufimpuls für Weihnachte­n sein.

Im Frühjahr gab es erneut keine Buchmesse in Leipzig. Ein Fehler?

Ich glaube schon. Es gab nur eine Pop-up-Messe mit 60 unabhängig­en Verlagen. Wir waren vertreten, die Stimmung war gut. Man hat gesehen: Es gibt ein Bedürfnis zum Beispiel nach Lesungen.

Und im Frühjahr 2023 soll Österreich das Gastland sein. Katja Gasser vom ORF plant den Auftritt im Namen des Hauptverba­nds mit sehr viel Engagement …

Es geht um Nachhaltig­keit. Wenn ein fremdsprac­higes Land Gast ist, werden viele Übersetzun­gen gemacht. Aber was kann vom Österreich-Auftritt bleiben? Unser Ansatz ist daher, die gesamte Breite der österreich­ischen Literatur zu zeigen – vom Theater bis zur bildenden Kunst. Es wird daher Gastspiele geben und auch eine große Ausstellun­g der Nationalbi­bliothek. Um eine nachhaltig­e Wirkung zu erzielen, präsentier­en wir Österreich nicht nur zur Messezeit: Bereits jetzt finden in ganz Deutschlan­d Veranstalt­ungen statt.

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JUERG CHRISTANDL Benedikt Föger: „Bücher müssen unbedingt teurer werden“

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