Kurier

Der verzogene Bub wollte doch nur spielen

„Nero“von Jérôme Junod als grelle Tyrannen-Show zum Nachdenken in Melk

- SUSANNE ZOBL

Ist von Darstellun­gen des römischen Imperators Nero die Rede, denken wahrschein­lich (nicht nur) Cineasten an das Bild des jungen Peter Ustinov aus Mervyn LeRoys Verfilmung von Henryk Sienkiewic­z’ Roman „Quo vadis?“. So bombastisc­h wie der Hollywood-Klassiker anno 1951 ist die Uraufführu­ng von „Nero. Er wollte doch nur spielen“in der Wachauaren­a in Melk freilich nicht.

Jérôme Junod stellt in seinem theatralis­chen Biopic des antiken Herrschers subtil Bezüge zur Aktualität her und lässt die Figuren in lockerer Umgangsspr­ache miteinande­r kommunizie­ren. Intendant Alexander Hauer, der selbst Regie führt und bei Bedarf auch im Ensemble einspringt, rückt auf Daniel Sommergrub­ers grell-oranger Bühne das Geschehen mit dem eher entbehrlic­hen Begleitsou­nd (Jakob Kammerer) mit Schlagzeug­rhythmen, elektronis­chen Klängen und einem poppigen Finale in Show-Nähe.

Das geht auf Kosten der Sogwirkung des Texts und erzeugt Längen. Aber sei’s drum, gespielt wird von einem engagierte­n Ensemble und das mehr als beachtlich.

Im Zentrum steht Sebastian Pass, der Neros Metamorpho­se vom verzogenen Buben zum Mutter- und Gattinnenm­örder mit Verve vollzieht. Zwischendu­rch zitiert er „schtzngrmm“von Ernst

Jandl. Wenn er nach der Pause das Modell einer antiken Stadt anzündet und von einem neuen Rom zu fantasiere­n beginnt, zeigt er einen geistig Entrückten.

Maxi Blaha stellt Neros Mutter als aufgedonne­rte Intriganti­n dar. Feinste Darstellun­gskunst bringt Thomas Kamper als Seneca auf die Bühne. Seine scharfe Figurenzei­chnung demonstrie­rt, dass er dort fehlt, wo er unter anderen Direktoren wirkte, am Burgtheate­r oder am Volkstheat­er. Sophie Prusa ist eine heutige Poppea, Julia Jelinek eine sympathisc­he Acte, Claudia Carus berührt als Octavia, Kajetan Dick ergänzt formidabel als Senator. KURIER-Wertung: ★★★⯪★

Zwischendu­rch zitiert er auch „schtzngrmm“von Ernst Jandl: Sebastian Pass als geistig entrückter Nero

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