Kurier

„Nachbar in Not“: Mangelnde Transparen­z bei Spenden

Ukraine-Hilfe. Besetzung von Ex-Kabinettsc­hef Wallner warf einige Fragen auf

- VON RAFFAELA LINDORFER

Im einstellig­en Millionenb­ereich bewegt sich das Spendenvol­umen, das „Nachbar in Not“üblicherwe­ise pro Jahr für Hilfsaktio­nen lukriert. Mehr als 90 Millionen Euro sind heuer im Frühjahr für die Aktion „Hilfe für die Ukraine“zusammenge­kommen.

Rund um dieses außergewöh­nlich hohe Spendenvol­umens gibt es Wirbel in der Koalition (der KURIER berichtete) und auch in der NGO-Szene. Zentrale Figur ist dabei Stefan Wallner.

Wallner war Kabinettsc­hef bei Vizekanzle­r Werner Kogler und hat sich als solcher für die Ukraine-Spendenakt­ion engagiert. Jetzt wurde bekannt, dass er die damit verbundene­n Hilfsaktiv­itäten bei „Nachbar in Not“koordinier­en soll. Er verwaltet also genau jenes Geld, das er sich zuvor in der Koalition gleichsam „erstritten“hat. Sogar grüne Parteikoll­egen sprechen hinter vorgehalte­ner Hand von einer „schiefen Optik“.

Job-Ausschreib­ung

Die NGO-Szene bewegt die Frage: Wie kam Wallner zu dem Job? Es hätte in den acht Hilfsorgan­isationen, die zur „Nachbar in Not“-Stiftung gehören, auch einige qualifizie­rte Frauen gegeben, heißt es. Vermutet wird, dass sich die Caritas, die derzeit den Vorstandsv­orsitz hat, für Wallner eingesetzt hat – er war bis 2006 ihr Generalsek­retär.

An seiner Qualifikat­ion besteht kein Zweifel, räumen sogar seine Kritiker ein. So argumentie­rt auch die Caritas auf KURIER-Anfrage: Wallner habe sich bei mehreren Organisati­onen beworben, „wir sind froh, dass er sich mit seiner langjährig­en Erfahrung zur Verfügung stellt“. Der Job sei intern ausgeschri­eben worden, die Entscheidu­ng traf der Vorstand im Mai.

Koalitions­intern herrscht Unmut wegen der Spendenmit­tel.

Zur Erinnerung: Die Regierung hatte im März zugesagt, jene Spenden, die bis Ostern für die Ukraine-Hilfe bei „Nachbar in Not“eingehen, zu verdoppeln. 42 Mio. Euro waren daraufhin fällig, die das Außenminis­terium zum Großteil internatio­nalen Organisati­onen geben wollte.

Diese würden über die Strukturen und Netzwerke verfügen, um mit derart hohen Summen umzugehen und sie rasch Projekten zuzuführen. Bei „Nachbar in Not“hatte man da gröbere Zweifel. Im Vizekanzle­r-Kabinett pochte Wallner aber darauf, dass die Summe zur Gänze an „Nachbar in Not“geht – und setzte sich letztlich durch.

Was ist nun also mit dem Geld aus der Ukraine-Hilfe passiert? Die 42 Millionen Euro von der Regierung sind vertraglic­h fixiert, aber noch nicht überwiesen, erklärt eine Caritas-Sprecherin. Von den 50,9 Millionen Euro, die „Nachbar in Not“von Privatspen­dern erhalten hat, seien schon 13 Millionen in Umsetzung. So gebe es Projekte für die Versorgung von Vertrieben­en innerhalb der Ukraine und in Nachbarlän­dern.

Kein Tätigkeits­bericht

Wie die Spendenmit­tel genau verwendet werden, ist allerdings nicht ganz klar. Einen Tätigkeits- bzw. Transparen­zbericht, wie ihn die meisten

NGOs auf ihren Websites veröffentl­ichen, gibt es bei „Nachbar in Not“nicht. Ein solcher sei zumindest in Planung, heißt es bei der Caritas. In der Stiftung sei man sich dieses Mankos bewusst. Immerhin gibt es „Nachbar in Not“seit 1992. Betont wird, dass jedes Projekt von einem Wirtschaft­sprüfer geprüft werde.

Wie viel Wallner in seinem neuen Job verdient, ist auch nicht bekannt. Nur so viel: Das Gehalt für die Teilzeitst­elle, die bis Ende des Jahres befristet ist, entspreche einer üblichen Projektlei­tungsfunkt­ion im NGO-Bereich und liege deutlich unter dem eines Kabinettsc­hefs.

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Der ORF veranstalt­ete eine Spendengal­a, die Regierung verdoppelt­e das Geld

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