Israels Parlament aufgelöst, Neuwahlen am 1. November
Lapid und Netanjahu hoffen auf Comeback
Regierungskrise. Israels Regierung hat die von ihr angestrebte Selbstauflösung des Parlaments durchgesetzt. Alle Versuche der Opposition, in letzter Minute mit Ex-Premier Benjamin Netanjahu eine alternative Regierung zu bilden, waren gescheitert. Nur ein Jahr hielt die „Spagat-Koalition“aus Rechten, Linken, Frommen, Säkularen, Juden und Arabern.
Durch die im Koalitionsabkommen festgesetzte Rotation wird jetzt der liberale Jair Lapid Premier der Übergangsregierung, Bennett erklärte am Donnerstag, gar nicht mehr kandidieren zu wollen. Die Wahlen sind für den 1. November angesetzt. Es werden die fünften in vier Jahren sein.
Im Ring stehen Israels beste Polit-Präsentatoren: Lapid geht als Übergangspremier mit Heimvorteil ins Rennen, ihm gegenüber steht Bibi, wie Netanjahus Fans ihr Idol rufen. Ein heißer Wahlkampf kündigt sich an, was aber viele der unter Politfrust leidenden Wähler kalt lassen dürfte: Alle bisherigen Umfragen signalisieren nur leichte Verschiebungen im rechten wie im linken Block, nicht aber zwischen den Blöcken, die schon seit Jahren das Land in zwei fast gleichgroße Hälften spalten. Die kleineren Parteien neben Lapids liberaler Zukunftspartei und Netanjahus rechtem Likud sind gezwungen, sich zu vereinen, sonst drohen verlorene Mandate.
Bislang halten Netanjahu und seine Fans an ihrer alten Taktik fest: Gnadenlos hetzen gegen alles, was nicht auf ihrer Seite steht. Lapid hingegen hätte in den kommenden Monaten einige Möglichkeiten, sich bei den Wählern zu etablieren: Mitte Juli wird er US-Präsident Joe Biden empfangen und die Verhandlungen mit den arabischen Staaten am Golf führen.
Ob dies letztlich Wechselwähler „von Bibistan nach Israel“locken kann, wird sich zeigen. Dem Ex-TV-Star Lapid trauten vor allem rechte Wähler bislang nicht die Führungsrolle zu. Mittlerweile hat seine Geradlinigkeit aber viele überzeugt – genauso wie seine Verzichtsbereitschaft, mit der er seinem Vorgänger Naftali Bennett die erste Amtszeit überließ.