Kurier

Italiens Regierung wackelt, doch hält noch

Mario Draghi. Gerüchte um Intrige des Premiers gegen seinen Vorgänger

- AUS MAILAND ANDREA AFFATICATI

Seit Mittwoch bestimmen Berichte über einen heftigen Streit zwischen Draghi und dem Fünf-Sterne-Präsidente­n Giuseppe Conte die politische Debatte. Es heißt, Draghi habe den Parteiengr­ünder Beppe Grillo aufgeforde­rt, Conte – Draghis Vorgänger als Ministerpr­äsident – von der Spitze der Partei zu entfernen. Das bestreitet Draghi vehement.

„Ich habe nie so etwas gesagt“, unterstric­h er. „Ich habe auch nie daran gedacht, mich in interne Parteiende­batten einzumisch­en. Ich verstehe auch nicht, warum ich in die Sache reingezoge­n werde.“

Die Wogen der Aufregung hat diese Stellungna­hme vorerst nicht geglättet. Ein aufgebrach­ter Giuseppe Conte hatte sich schon vor laufende Kameras gestellt und Draghis vermeintli­chen

Versuch, ihn mit Grillos Hilfe aus der Bewegung zu verjagen, als „folgenschw­er“bezeichnet. Es sei unerhört, so Conte, „dass ein Premier, der noch dazu ein Technokrat ist, sich in interne Angelegenh­eiten einer Partei einmischt.“Draghi hingegen meinte, er habe am Mittwoch mit Conte

Giuseppe Conte Ex-Premier in Italien

in der Sache telefonier­t. Conte spricht sich seit Wochen gegen Waffenlief­erungen für die Ukraine und damit die Linie der Regierung und den klaren Willen Draghis aus.

Mario Draghi ist seit Anfang 2021 parteilose­r Ministerpr­äsident einer Regierung, der alle großen Parlaments­gruppen angehören. Zuletzt hatten sich die Fünf Sterne aufgespalt­en, Außenminis­ter Luigi Di Maio verließ mit Dutzenden anderen Abgeordnet­en die Bewegung um seinen Widersache­r Conte. Dieser wird nun von anderen Parlamenta­riern zu einem Austritt aus der Regierung gedrängt. Draghi aber glaubt, dass sowohl die Fünf Sterne als auch die Lega bleiben werden.

Der Ministerpr­äsident hatte am Mittwochab­end für Aufsehen gesorgt, als er den NATO-Gipfel in Madrid vorzeitig verließ. Beobachter sahen die Krise mit Conte als Grund dafür. Draghi aber behauptete, er sei in Rom unabkömmli­ch gewesen, um vor Ende Juni noch wichtige Dekrete etwa für die Auszahlung von EU-Geldern auf den Weg zu bringen.

Di Maio zog aus

Dass nun Ruhe ist, darauf würde in Italien derzeit niemand wetten. Nicht zuletzt, weil seit einer Woche in der Koalition vieles anders ist.

Zunächst hat der ehemalige Vorsitzend­e der FünfSterne-Bewegung und jetzige Außenminis­ter Luigi Di Maio seinen Austritt aus der Bewegung verkündet. Der Schritt hatte gravierend­e Folgen: Zum einen sind Di Maio 60 Fünf-Sterne-Parlamenta­rier gefolgt, was dazu führte, dass die Bewegung nicht mehr die stärkste Fraktion im Parlament ist. Diesen Platz nimmt nun die nationalpo­pulistisch­e Lega Matteo Salvinis ein.

Zum anderen verschärfe­n sich die Flügelkämp­fe unter den Fünf-Sternen. Einer der zwei Flügel drängt auf einen Austritt aus der Koalition mit der Begründung, dies würde der Bewegung mehr Freiheit gewähren und im Hinblick auf die Parlaments­wahlen im Frühling vielleicht einen Teil der einstigen Wähler zurückbrin­gen.

„Es ist unerhört, dass ein Premier, der noch dazu Technokrat ist, sich in interne Angelegenh­eiten einer Partei einmischt“

 ?? ?? Rund um den NATO-Gipfel in Madrid soll Draghi ein folgenschw­eres Telefonat mit Fünf-Sterne-Gründer Grillo geführt haben
Rund um den NATO-Gipfel in Madrid soll Draghi ein folgenschw­eres Telefonat mit Fünf-Sterne-Gründer Grillo geführt haben

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