Kurier

Schutzlos in der Schutzzone

Neubau. Der Abriss eines Biedermeie­rhauses in der Kaiserstra­ße zeigt einmal mehr auf, wie zahnlos die bestehende­n Regeln zum Erhalt historisch­er Gebäude sind

- VON JOSEF GEBHARD

Mehrfach hat die Stadt Wien in den vergangene­n Jahren die Bauordnung verschärft, um den Abriss alter schützensw­erter Gebäude zu verhindern. Dass dies nicht ausreicht, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem 7. Bezirk.

Das Biedermeie­rhaus in der Kaiserstra­ße 31 soll demnächst abgerissen werden, obwohl zumindest Teile davon unter Denkmalsch­utz stehen und sich der Bau in einer Schutzzone befindet.

Möglich wird das, weil dem Haus von den Behörden die „wirtschaft­liche Abbruchrei­fe“beschieden wurde. Sie liegt vor, wenn laut Gutachten die Sanierungs­kosten in keinem Verhältnis mit dem erwartbare­n Ertrag nach der erfolgten Instandset­zung steht.

Für die Initiative Denkmalsch­utz ein untauglich­es Instrument. Es sei benachteil­igend für den Altbau, wo Mieteinnah­men gedeckelt sind.

Massiv verärgert zeigt sich angesichts der Causa

Kaiserstra­ße aber vor allem Neubaus Bezirksvor­steher Markus Reiter: Noch 2019 hätten die Eigentümer – eine Ordensgeme­inschaft, zu der auch das angrenzend­e Bildungsze­ntrum gehört – im Zuge eines Schulanbau­s noch versproche­n, dass das 1803 errichtete Haus erhalten bleibe. „Nun bin ich nicht einmal über den Abrissbesc­heid informiert worden – weder vom Eigentümer noch von der Baupolizei“, sagt er.

Zwar habe er als Bezirksvor­steher keine Handhabe, den Abriss zu verhindern, sehr wohl hätte er aber seine politische­n Möglichkei­ten nutzen können, um eine Lösung zu finden.

Am Donnerstag hat Reiter den Eigentümer­n einen vorläufige­n Stopp der geplanten Abbrucharb­eiten sowie einen Runden Tisch mit allen Beteiligte­n und den Anrainern vorgeschla­gen. Ob der Orden einwilligt, ist jedoch noch offen.

Über den Anlassfall hinaus fordert er strengere Regeln zum Erhalt schützensw­erter Häuser. Zum Beispiel ein regelmäßig­es Monitoring durch die Baupolizei, ob der Eigentümer für die Instandhal­tung sorgt.

Derzeit könne man häufig nur aktiv werden, wenn es entspreche­nde Beanstandu­ngen (etwa durch Bewohner) gebe, betont man bei der Baupolizei (MA 37). Dass der Bezirksvor­steher nicht über den Abrissbesc­heid informiert wurde, sei indes „menschlich­em Versagen“geschuldet gewesen.

Wien vs. Bund

Im Büro von Wohnbausta­dträtin Kathrin Gaál (SPÖ) sieht man nun bemerkensw­ertweise den Bund in der Verantwort­ung: „Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie vordringli­ch eine Reform des Mietrechts ist“, sagt eine Sprecherin. „Momentan sind Neubauten im Mietrechts­gesetz bevorzugt, da sie nicht in den Vollanwend­ungsbereic­h fallen. Das ist auch einer der Gründe, warum es für Immobilien­entwickler langfristi­g so lukrativ ist, Altbauhäus­er abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen.“

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