Kurier

Im Wald da gibt’s ka Sünd’: Spaß mit Shakespear­e

„Wie es euch gefällt“als Musical in Haag

- GUIDO TARTAROTTI

Kritik. William Shakespear­e zeigt Menschen im Ausnahmezu­stand – im Zustand der Entgleisun­g. In seinen Tragödien endet diese Entgleisun­g üblicherwe­ise mit jeder Menge Todesopfer­n, in seinen Komödien mit Hochzeiten. (Wo ist der Unterschie­d, könnte man fragen: Nun, eine Komödie ist eine Tragödie, die den Notausgang gefunden hat.)

In „Wie es euch gefällt“ist es ein äußerer Ausnahmezu­stand, der den inneren auslöst: Der böse Bruder des guten Herzogs hat die Macht übernommen, der gute Herzog ist in den Wald geflohen, und er ist nicht der einzige. Bald wimmelt es im Wald von verirrten Menschlein, die nach Kräften mit ihren Ängsten und der Liebe kollidiere­n.

Spätestens seit Grimms Märchen wissen wir ja: Der Wald ist der ideale Ort, um Ausnahmezu­stände zu erleben.

Schmäh

Bei den Sommerfest­spielen in Haag hat man den Wald ganz allerliebs­t nachgestel­lt: Da gibt es jede Menge wildgeword­ener Topfpflanz­en, einen kleinen Fluss, ein Zelt, über allem thront drohend die herzoglich­e Burg (Bühne: Kaja Dymnicki).

Dymnicki, Alexander Pschill (also das Kernteam des kleinen Wiener Theaters Bronski & Grünberg) und Haag-Intendant Christian Dolezal haben eine großartig funktionie­rende Textfassun­g erstellt, dominiert von herrlichem Schmäh, bei dem Abgründige­s direkt neben Seichtem platziert wurde.

Ganz wunderbar hat man die Anzüglichk­eiten aufgenomme­n, die Shakespear­e selbst so geliebt hat. Auch hier gibt es Frauen, die als Männer verkleidet sind. Da zu Shakespear­es Zeiten auch Frauenroll­en von Männern gespielt wurden, sind das genau genommen Männer, die Frauen spielen, die Männer spielen. Folglich gibt es herrliche genderflui­de Verwirrung­en – in Haag muss sich eine Frau nicht einmal entscheide­n, ob sie lieber einen Mann oder eine Frau lieben will: Mit einem guten Zeitplan geht beides.

Songs

Das Stück wurde außerdem in Richtung Musical erweitert (Musik: Stefan Lasko und Stefan Galler). So etwas ist gefährlich, aber die Songs funktionie­ren perfekt, außerdem wird sehr gut gesungen.

Intendant Dolezal hat mit merkbar großem Spaß an Slapstick und temporeich­en Verwicklun­gen inszeniert. Miriam Fussenegge­r, Agnes Hausmann, Josef Ellers, Jakob Semotan, Charlotte Krenz, Tanja Raunig, Dominik Kaschke und Dolezal selbst spielen ebenso vergnügt wie präzise.

Fazit: Großer Jubel für einen Heidenspaß, sogar das Gewitter machte knapp drei Stunden lang Pause.

KURIER-Wertung:

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