„Das ist eine Machtdemonstration“
Die Industrie wehrt sich gegen den Vorwurf, Gewinne auf Konsumentenkosten zu maximieren. Händler würden Teile der Realität ausblenden, sagt Günter Thumser vom Markenartikelverband
In Deutschlands größter Supermarktkette, Edeka, werden Konsumenten wohl bald keine Dose Coca-Cola oder Fanta mehr finden. Zumindest droht Edeka, den US-Getränkeriesen aus den Regalen zu nehmen. Grund dafür seien völlig überzogene Preisforderungen, argumentiert der Händler. Nur ein Beispiel dafür, was sich gerade hinter den Supermarktkulissen abspielt. Auch in Österreich schimpft Spar-Vorstand Markus Kaser bereits über „maßlos überzogene Preisforderungen“der internationalen Lebensmittelindustrie, gegen die sich sein Handelshaus stemmen werde.
Aus Sicht von Günter Thumser, Präsident des Markenartikelverbands (MAV), eine „Machtdemonstration des Handels, der sich als Konsumentenschützer inszenieren will“. Dabei blenden Händler laut Thumser gerne einen Teil der Realität aus. „Nämlich, dass sie selbst Großkonzerne sind, die nicht nur europaweit tätig sind, sondern sich auch noch mit anderen Großkonzernen zu europäischen Einkaufskooperationen zusammengeschlossen haben.“Sprich, mit ihrer Einkaufsmacht am längeren Hebel der Macht sitzen.
Der Industrie vorzuwerfen, sie würde sich jetzt auf Kosten der Konsumenten bereichern, sei eine Frechheit. Thumser: „Bis zum vorigen Sommer, also bis Juli und August 2021, sind die Preise im Lebensmittelhandel laut GfK im Vergleich zur Gesamtinflation sogar gesunken, aber davon redet niemand.“Die Industrie sei bisher schlicht nicht mit ihren Preiserhöhungen durchgekommen, habe die Mehrkosten also alleine getragen und werde sie auch nicht rückwirkend vom Handel abgefedert bekommen. Für viele Industriebetriebe seien die höheren Energie- und Rohstoffkosten bereits existenzbedrohend.
Anderer Meinung war da kürzlich WU-Professor Wilfried
Altzinger im KURIERInterview, der Gewinn-Margen von Industriekonzernen wie Nestlé oder Danone von 15 bis 20 Prozent anprangerte: „Die Rechnung bezahlen wir Konsumenten. Derartige Gewinnmargen hat es in Friedenszeiten nie gegeben“, sagte der Gleichheitsforscher an der WU-Wien.
Nichts zum Nulltarif
„Schlichtweg falsch“, ist Thumser „entsetzt von den Unwahrheiten und der Polemik, die hier verbreitet werden“. Ein Blick in die Bilanzen würde zeigen, dass es auch in früheren Jahren (ohne Krise) in Bereichen der Industrie höhere Umsatzmargen gegeben habe. Also doch reiche Industriekonzerne, die sich auf Kosten der Konsumenten bereichern?
Keineswegs, findet Thumser. Schließlich fließe die Marge in Forschung und Entwicklung, es müsse produziert, in Maschinen investiert werden. „Die Produkte fallen ja nicht vom Himmel. Auch Innovationen wie recyceltes Pet oder die Herkunftskennzeichnungen gibt es nicht zum Nulltarif, auch wenn in der öffentlichen Diskussion gern so getan wird.“
Den Vorwurf, dass sich Produzenten verstärkt mit kleineren Packungsgrößen bei gleichem Verkaufspreis ein Körberlgeld verdienen, weist der MAV-Präsident und frühere Chef des Konsumgüterriesens Henkel (Pril, Somat, Persil) zurück. Das sei „keine favorisierte Lösung. Viel zu aufwendig, weil ja auch hier Maschinen umgestellt werden müssen.“