Der Stern steigt auf
Seit zwei Wochen ist der neue Praterstern fertig – und gedeiht gut. 23 Bäume kommen noch, das vegetarische Bistro „Pure“in der ehemaligen Polizeistation eröffnet heute
Wien und der Praterstern – das ist eher keine gute Geschichte.
Seit jeher gilt der Praterstern als Unort. 150.000 Personen frequentieren ihn laut ÖBB täglich. Damit gehört er, was das Passagieraufkommen betrifft, zu den wichtigsten Bahnhöfen Österreichs. In der Außenwahrnehmung ist der Praterstern aber vor allem meistdiskutierter Bahnhof der Stadt: Drogen, Alkohol, Schlägereien.
Ihren Höhepunkt erreichte die Diskussion 2017, als drei junge Afghanen eine junge Studentin auf einem der Bahnhofsklos vergewaltigten und misshandelten. Ende April 2018 wurde ein Alkoholverbot auf dem Praterstern verhängt, 2019 ein Waffenverbot. Initiiert vom damaligen Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig und der damaligen Verkehrsstadträtin Ulli Sima. Die Umsetzung ging nicht ohne Kritik vonstatten: Expertinnen und Experten aus dem Sozialbereich warnten davor, dass marginalisierte Gruppen verdrängt werden könnten. (Und behielten zwischenzeitlich auch recht).
Wenn Eric-Emanuel Tschaikner also sagt, „der Praterstern war der verruchteste Platz Wiens“, dann hat er damit recht. Tschaikner ist – gemeinsam mit Kim Tien und Natalie Neubauer-Muzicant als Architekt (Kenh Architektur ZT GmbH) verantwortlich für die Umgestaltung des Pratersterns
„zu einem echten Wohlfühlort“, wie Sima beim Spatenstich im Oktober sagte. Seit zwei Wochen ist der Praterstern nun fertig – und scheint gut zu funktionieren. Sehr gut sogar. Herzstück des neuen Pratersterns ist das 500 Quadratmeter große, sternförmig angeordnete Wasserspiel beim Tegetthoff-Denkmal. Kinder spielen, manche Passanten waschen sich dort nach der U-Bahn-Fahrt die Hände. Das Wasser folgt einer Choreografie – aus Wasserstrahlen und Bodennebel. Manchmal kommt auch gar nichts – wer dann über den Platz geht und noch nichts vom Wasserspiel weiß, wird mitunter nass.
Heftig kritisiert wurden zuletzt die Sitzmöglichkeiten am Praterstern. Drei verschiedene Formen gibt es (ellipsenförmige Bänke, Sitzplätze auf Steinen und welche mit Lehnen), eine einfache Sitzbank ist nicht dabei. Die Architekten mussten sich deshalb den Vorwurf von obdachlosenfeindlicher Gestaltung gefallen lassen.
Nicht jeder für jede
Beim Lokalaugenschein am Dienstag beteuern die Architekten erneut, marginalisierte Gruppen nicht vom Praterstern verdrängen zu wollen. Im Gegenteil. 190 Sitzplätze wurden auf dem Praterstern geschaffen. Das sind deutlich mehr als vorher. „Es gibt ein Überangebot an Platz, aber das heißt nicht, dass jeder Sitzplatz für jede Person geeignet ist“, sagt Architekt Tschaikner. Jene mit Lehne seien nicht gegen Obdachlose, die sich hier ausrasten wollen, sondern für Alte, die ohne Lehne nicht aufstehen können. Wer sich im Schatten ausruhen möchte, könne die neu angelegten Wiesen nutzen, die schrägen Sitzplätze seien nur eine zusätzliche Möglichkeit zum Anlehnen. „Jeder Sitzplatz ist mit der Sucht- und Drogenkoordination
der Stadt Wien abgestimmt“, sagt Tschaikner. Die Gestaltung insgesamt auch mit den mobilen Teams der Suchthilfe SAM besprochen. Den Architekten ist wichtig – das sagen sie mehrmals – dass unterschiedliche Menschen zum Praterstern kommen. Das steigere das für die Nutzung dieses Platzes so wichtige subjektive Sicherheitsgefühl. „Und wenn das subjektive Sicherheitsgefühl steigt, dann steigt auch die Toleranz“, sagt Tschaikner.
Bio-Essen
Dafür, dass viele unterschiedlicher Nutzergruppen zum Praterstern kommen, wird auch das neue Lokal „Pure“(vom Namen „Hab’s Gut“hat man noch Abstand genommen, Anm.) in der ehemaligen Polizeistation sorgen.
Heute, Dienstag, öffnet es. Betrieben wird es von der Yamm-Gruppe, serviert wird Vegetarisches und Veganes – geschmorter Gewürz-Kürbis mit Hummus zum Beispiel. Oder Soba-Buchweizen-Nudeln mit „fruchtig-scharfem Curry-Koriander“. Ein Angebot also an alle Bobos da draußen. Kinderwagengarage und Motorikpark für Kleinkinder inklusive.