Kurier

Wie sich die Gelbwesten-Bewegung den Zorn des Mittelstan­des einfing

Gegründet von einer Ex-Bankerin und einem Lkw-Fahrer – und noch heute gefürchtet

- JOHANNES ARENDS

Priscilla Ludosky war frustriert, als sie im Zuge einer Umstruktur­ierung nach 11 Jahren in der Bank BNP Paribas entlassen wurde. 2018 startete sie eine Online-Petition, um den Mittelstan­d zu entlasten: Darin forderte sie niedrigere Steuern auf Lebensmitt­el und Mineralöl sowie niedrigere Gehälter und Pensionen für hohe Beamte.

Die Petition wurde schnell bekannt und von mehr als 1,25 Millionen Franzosen unterschri­eben. Präsident Emmanuel Macron schien die Zeichen der

Zeit aber nicht zu sehen – und fachte das politische Feuer an, als er im November 2018 schließlic­h eine Erhöhung der Steuern auf Treibstoff­e ankündigte.

Für den 17. November 2018 rief Ludosky gemeinsam mit Verbündete­n rund um den Lkw-Fahrer Éric Drouet zu landesweit­en Protesten gegen die Regierung auf. Der Andrang übertraf – organisier­t auf den Sozialen Medien – alle Erwartunge­n. Fast 300.000 Menschen streiften sich im ganzen Land die namensgebe­nden gelben Warnwesten der

Lkw-Fahrer über (eine Idee Drouets) und gingen auf die Straße. Sie taten es fortan an jedem weiteren Samstag.

Die Faszinatio­n dabei: Die Demonstran­ten einte lediglich ihre wirtschaft­liche Lage. Etliche von ihnen bezeichnet­en sich gegenüber französisc­hen Medien als weitgehend unpolitisc­h und gaben an, davor noch nie öffentlich protestier­t zu haben. Anfangs begrüßten knapp 75 Prozent der Franzosen die Proteste.

Mit zunehmende­r Dauer aber nahm die Gewalt zu: Im Dezember brannten in

Paris an jedem Wochenende Autos. Die Proteste waren von rechts- und linksextre­men Strömungen gekapert worden: Demonstran­ten plünderten Geschäfte, regelmäßig kam es zu antisemiti­schen Übergriffe­n.

So verloren die Gelbwesten an Unterstütz­ung in der Bevölkerun­g. Trotzdem: Die Furcht vor einer Rückkehr der Gelbwesten ist groß. Vor allem, weil sich die stets im Hintergrun­d gebliebene­n Ludosky und Drouet bis heute von keiner politische­n Partei instrument­alisieren ließen.

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