Grazer Medizin-Rektor will Aufnahmetest behalten – ohne Pflegepraktikum
Hellmut Samonigg kann sich aber vorstellen, die „sozial-emotionale Komponente“beim Test zu verstärken
Wo sind die Ärztinnen und Ärzte? Bilden wir zu wenig aus? Ist der Aufnahmetest des Medizinstudiums überhaupt geeignet, die besten Personen für das Medizinstudium zu finden?
Im Zuge des Ärztemangels, vor allem in den ländlichen Regionen, ist eben dieser Aufnahmetest zum Diskussionsthema geworden.
Ein paar Zahlen, um die Situation zu illustrieren: Im Vorjahr haben sich 17.823 Personen um einen Studienplatz beworben, 1.740 Plätze standen zur Verfügung. Dem Rechnungshof zufolge ist etwa ein Drittel der Absolventen nach dem Studium aber gar nicht als Arzt in Österreich tätig. Was also tun? Mehr Plätze anbieten, damit in Summe in Österreich mehr Mediziner übrig bleiben? Oder braucht es andere Kriterien für die Studienzulassung?
„Keine Hilfe für Pflege“
Der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und Primar im LKH Hochsteiermark in Leoben, Reinhold Kerbl, hatte kürzlich ein verpflichtendes, einjähriges Pflegepraktikum statt der Tests vorgeschlagen.
Im KURIER-Gespräch spricht sich nun der Rektor der Medizinischen Universität Graz, Hellmut Samonigg, gegen den Vorschlag seines steirischen Kollegen aus. Man dürfe nicht suggerieren, dass man mit mehr Fokus auf sozial-emotionale Kompetenzen mehr Studenten bekomme und so den Ärztemangel bekämpfen könne, meint er. Außerdem: „Wenn im Pflegebereich zusätzlich junge Menschen ausgebildet werden müssen, die nach einem Jahr wieder weg sind, weil sie eigentlich Medizin studieren wollen, belastet das die Personalsituation in der Pflege zusätzlich.“Der Pflegekräftemangel würde so jedenfalls nicht bekämpft.
Ziel des bestehenden Aufnahmetests sei nicht, zu bewerten, wie jemand in der Zukunft als Arzt auftreten werde. Je nach Fachrichtung brauche man ohnehin unterschiedliche Kompetenzen. Getestet werde vielmehr, ob jemand für das Studieren geeignet ist. „Dafür ist der Test ein gutes Instrument“, sagt Samonigg. Das schließe aber nicht aus, dass man der „sozial-emotionalen Komponente“beim Test mehr Gewichtung geben könnte.
Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat bereits erklärt, offen für Änderungen beim Zugang zur Medizin-Ausbildung zu sein. Allerdings möchte er „nicht nur an einer kleinteiligen Schraube drehen“, entscheidend sei für ihn vielmehr, was mit den Absolventen passiert.
Vorbild Deutschland?
Ein Modell, das beides (Studienplatz und Laufbahn der Absolventen) in Verbindung setzt, gibt es bereits in einigen deutschen Bundesländern. Eine bestimmte Zahl an Studienplätzen ist dort nämlich für jene vorgesehen, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums zehn Jahre lang in einer unterversorgten Region hausärztlich tätig zu sein (siehe Interview oben).
Generell funktioniert die Zulassung in Deutschland über ein Punktesystem. Das ist einigermaßen kompliziert, weil die Universitäten dabei selbst festlegen können, welche Kriterien sie wie gewichten, z.B. Abiturnoten, Testergebnisse, Vorerfahrungen im Gesundheitsbereich etc. Einige Unis vergeben extra Punkte für soziales Engagement und ehrenamtliche Tätigkeit.