„Verschleierte Übergewinnsteuer“
Verfassungsgutachten zerpflückt exorbitante Erhöhung der Landesabgabe auf Windkraft und Fotovoltaik, Plan der Regierung Doskozil laut Experten EU-widrig
„Die wahre Absicht der Abgabe wird verschleiert. Der Bund fördert erneuerbare Energie und das Land casht ab“Heinz Mayer Verfassungsexperte
Die Energiekrise hat heftige politische Debatten über die Besteuerung von Übergewinnen ausgelöst, wie auch immer diese definiert werden. Derzeit gibt es diese Steuer in Österreich noch nicht, doch das Burgenland nimmt jetzt offenbar einen Anlauf dazu.
Die SPÖ-Alleinregierung unter Hans Peter Doskozil will die bestehenden Abgaben auf Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen vervielfachen. Die Erhöhung soll Anfang 2023 in Kraft treten und rückwirkend gelten, der KURIER berichtete. Das Burgenland ist übrigens Österreichs einziges Bundesland mit einer solchen Abgabe. Der Verfassungsexperte Heinz Mayer zerpflückt jetzt in einem Gutachten diese Pläne.
Er führt gleich mehrere Gründe für die Verfassungswidrigkeit an. Die Abgabe überschreite die Kompetenz des Landes und entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung. So lasse die Landesregierung einen beliebigen Spielraum über den Zeitpunkt der rückwirkenden Geltung offen. Die Neuregelung mache Finanzplanungen für die Betreiber der Anlagen „zu Makulatur, was insbesondere im Fall von Fremdfinanzierung höchst problematisch ist“. Der Ausbau solcher Anlagen könne dadurch verhindert werden, heißt es im Gutachten, das dem KURIER vorliegt.
Mayer bezeichnet die Abgabe
als „kurzfristig und überfallsartig“. Die Einnahmen teilen sich zu je 50 Prozent das Land und die Gemeinden. Im Landesgesetz ortet Mayer offenkundige Widersprüche. Einerseits diene die Abgabe als Ausgleich für die Belastung des Landschaftsbildes und solle für Umwelt- und Klimaschutz verwendet werden. Andererseits werden das öffentliche Interesse an Windkraft und Fotovoltaik und die Versorgung der Bevölkerung betont. Für Mayer erschließt sich nicht, „welchen Beitrag die Erhöhung der Abgabe für die Versorgung der Bevölkerung leisten kann“. Mit keinem Wort werde darauf eingegangen, „wie die Entwicklung der Energiepreise die Notwendigkeit einer Abgabenerhöhung begründet“.
Wahre Absicht
Die wahre Absicht des Gesetzgebers „scheint allerdings ganz woanders zu liegen“und werde verschleiert, vermutet der Verfassungsrechtler.
Die Novelle diene rein fiskalischen Zwecken, sei in Wahrheit „auf eine Abschöpfung der Übergewinne gerichtet“und widerspreche dem öffentlichen Interesse am Ausbau erneuerbarer Energie „eklatant“.
Die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energie „ist eines der wichtigsten gesamteuropäischen Ziele“, die Mitgliedsstaaten müssen die Rentabilität von geförderten Projekten sicherstellen, argumentiert Mayer. Die Abgabe stehe daher in diametralem Widerspruch zu nationalen und unionsrechtlichen Zielsetzungen: „Der Bund fördert und das Land casht ab.“
Die Abgaben auf Windkraft
werden versechsfacht, auf Fotovoltaik verfünffacht. „Dieser Vorstoß konterkariert die Ausbauziele bei Sonne und Wind und zerstört eine Strompreisbremse. Strom bleibt damit teuer, weil ein Bundesland sich bedienen will“, wettert Herbert Paierl, Vorstand des Photovoltaikverbandes Austria.
„Manche Projekte können nicht mehr umgesetzt werden, bestehende Anlagen sind gefährdet. Die Relevanz für die Klimaziele Österreichs ist enorm“, kritisiert Martin Jaksch-Fliegenschnee, Sprecher der IG Windkraft. Die beiden Verbände haben das Gutachten in Auftrag gegeben.