Schuldenabbau: Die EU will die Zügel wieder – ein bisschen – straffer halten
EU-Kommission legt Vorschläge zur Reform des Stabilitätspaktes vor: Sparen soll Wachstum nicht abwürgen
Brüssel. Erst die Corona-Pandemie und dann der Krieg Russlands gegen die Ukraine machten es unausweichlich: Vier Jahre lang, bis Ende 2023, bleiben die strengen Vorgaben des EU-Stabilitätsund Wachstumspaktes ausgesetzt. Diese schon mehr als 25 Jahre alten Vorschriften sollten eigentlich verhindern, dass sich die Regierungen der 19 Euro-Länder zu hoch verschulden und den Euro in eine Finanzkrise stürzen.
Daher legte der Pakt einst Obergrenzen fest: Die jährliche Neuverschuldung soll in einem Eurostaat höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung und die Gesamtverschuldung höchstens 60 Prozent (Maastricht-Regeln) betragen. Fazit: Bis heute haben sich nie alle Eurostaaten daran gehalten. „Der Schuldenabbau war nicht erfolgreich“, räumte der EU-Kommissar Paolo Gentiloni gestern ein, „vielleicht liegt es daran, dass die Ziele unrealistisch waren“.
Am Mittwoch legte die EU-Kommission in Brüssel daher die lang erwartete Reformpläne vor, wie solides
Haushalten im Euroraum künftig aussehen soll.
Die Kernpunkte
Die Kernpunkte der Pläne, die noch keine Gesetzesvorschläge sind: Die Eckdaten – 60 Prozent Gesamtverschuldung und maximal drei Prozent Neuverschuldung – bleiben. Darauf bestehen „sparsame“
Länder – wie Österreich und Deutschland.
Doch neu ist, dass künftig hoch verschuldete Länder wie Griechenland (Schuldenquote derzeit: 185 Prozent) oder Italien (148%) mehr Zeit bekommen sollen, um ihre Schulden abzubauen. Sie müssen einen genauen Plan vorlegen, welcher Pfad binnen vier Jahren zum Abbau der Schulden eingeschlagen wird. In diesem Zeitraum muss auch die maximale 3Prozent-Neuverschuldungsquote erreicht werden. Diese Phase kann eventuell um weitere drei Jahre verlängert werden. Wichtig sei dabei, meinte Gentiloni: „Wachstum und Stabilität sollen Hand in Hand gehen, sie sind beide gleich wichtig.“
Länder mit einer „moderaten Herausforderung ihrer öffentlichen Schulden“müssen einen Drei-Jahresplan vorlegen. Mit einem Schuldenstand von derzeit 78 Prozent fällt Österreich in diese Gruppe. Fest steht aber schon jetzt: Bis 2026 will Österreich nach Angaben von Finanzminister Magnus Brunner seinen Schuldenstand auf 72 Prozent gesenkt haben.
Die Forderung nach einem maßgeschneiderten Schuldenabbauplan, der Brüssel vorgelegt werden muss, stößt aber bei einigen Staaten auf wenig Gegenliebe. Vor allem Deutschland legt sich quer.
„Man passt die Regeln der Realität an“, beurteilt Martin Larch, Generalsekretär des
Europäischen Fiskalrates, im Gespräch mit dem KURIER die Pläne Brüssels generell positiv. Konkrete Beratungen der EU-Finanzminister wird es erst im Dezember geben.
Und relativ unklar bleibt nach wie vor, wie die EU ihre Defizitsünder künftig an die Kandare nehmen oder bestrafen will. Zwar werden nun stärkere Sanktionen vorgeschlagen, doch wie diese aussehen sollen, lässt die Kommission vorerst im Vagen. „Möglichkeiten, die Defizitsünder mit finanziellen Strafen einzudecken, hätte die Kommission schon früher gehabt. Aber davor ist sie letztlich immer zurückgeschreckt“, schildert ein EUBeamter dem KURIER.