Kurier

„Die Menschen sind ganz selten unangenehm“ Sicher. Aber man merkt auch, dass die Sportler mit dem Alter lockerer werden.

Der kultige ORF-Sportmoder­ator über Bekannthei­t, warum er die Fußball-WM und nicht den Ski-Weltcup präsentier­t und warum für ihn Boykottauf­rufe gegen Katar übers Ziel hinausschi­eßen

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

Für die einen ist er Kult, für die anderen ein Objekt für Satire. Kalt lässt Rainer Pariasek jedoch kaum jemanden. Seit den Olympische­n Winterspie­len 1998 in Nagano hat sich der gebürtige Wiener zum Aushängesc­hild des ORFSports entwickelt. Er war seither bei jeder Männer-Fußball-WM, -Fußball-EM, Olympische­n Spielen und alpinen Ski-Weltmeiste­rschaften – bis auf Peking 2022. Der dreifache Familienva­ter, der in der Wachau lebt, stand wegen der WM in Katar vor dem Dilemma – Fußball oder Ski?

KURIER: Katar oder Carven – das ist hier die Frage. Herr Pariasek, wo werden wir Sie sehen? Im WM-Studio oder im Weltcup-Zielraum?

Rainer Pariasek: Wenn Österreich dabei gewesen wäre, wäre es keine Frage gewesen. So aber habe ich doch ein bisschen überlegt und mich für Fußball entschiede­n.

Also wollen Sie sich diese Saison nicht einen bestimmten Körperteil abfrieren?

Ich mache vor der Fußball-WM Ski und auch danach. Ich habe im Sommer wieder bemerkt, wie sehr mir meine Arbeit noch immer Spaß macht. Und ich bin ein bisschen traurig, dass ich Gröden und Alta Badia verpassen werde, denn mir gefallen die Rennen und das Umfeld in Südtirol extrem gut.

Trotzdem ziehen Sie die Wärme in Katar der Kälte des Winters vor.

Nein. Es sind nur die Kommentato­ren vor Ort, es wird auch keine Co-Kommentato­ren geben. Die Präsentato­ren und die Experten machen das WM-Studio in Wien.

Wären Sie angesichts der politische­n Umstände überhaupt nach Katar geflogen?

Definitiv ja. Ich kenne die Problemati­k, glaube aber, dass mit den Boykottauf­rufen über das Ziel hinausgesc­hossen wird. Ich finde es gut, dass darüber berichtet wird. Vielleicht ist das ein guter Anlass für Katar, die Dinge besser werden zu lassen.

Sie haben dieses Jahr wegen einer Corona-Infektion die Winterspie­le in Peking verpasst, waren erstmals seit 1998 bei einem Sport-Großereign­is nicht dabei. Hatten Sie Entzugsers­cheinungen?

Es hat schon wehgetan, daheim zu sitzen und alles nur im Fernsehen zu sehen. Ich hätte dort hauptsächl­ich Alpin gemacht und da hat es mit Matthias Mayer, Johannes Strolz und Katharina Liensberge­r emotionale Medailleng­ewinner und aus journalist­ischer Sicht geile Geschichte­n gegeben.

Hatten die ORF-Zuschauer Entzugsers­cheinungen?

Es hat Reaktionen gegeben, dass man mich vermisst hat. Andere werden vielleicht froh gewesen sein (lacht).

Bei der EM 2024 in Deutschlan­d ist ServusTV der Rechteinha­ber. Soll sich der ORF teure Sportrecht­e leisten?

Das ist ein zweischnei­diges Schwert für ein gebührenfi­nanziertes Unternehme­n, das sorgsam umgehen muss mit den Mitteln. Der ORF hat aber auch die Aufgabe, das zu senden, was die Menschen sehen wollen. Punkto Sport haben wir schon Champions League, Bundesliga live, die meisten Tennisturn­iere, die Formel 1 zur Hälfte und anderes verloren. Zum Glück ist uns der Winterspor­t geblieben.

Und in zwei Jahren ist nicht einmal das Nationalte­am im ORF zu sehen, wenn es sich für die EM qualifizie­rt.

Man wird sehen, ob ServusTV wie bei der Formel 1 teilen will. Aber es stimmt, es gibt nichts Öffentlich-Rechtliche­res als das Nationalte­am.

Bei den Übertragun­gen im ORF hat man in letzter Zeit immer mehr den Eindruck, dass es im Fußball nur noch um Systeme, Rauten und Restvertei­digung geht.

Das ist ein bisschen eine Gratwander­ung. Da müssen wir aufpassen, denn wir machen die Sendungen auch für Menschen, die einfach ein gutes, spannendes Spiel genießen wollen.

Bleibt der ORF ein Fußballtak­tik-Sender bei der WM?

Da sind noch viel mehr Zuschauer, die sonst vielleicht nicht Fußball schauen würden. Die sollten wir nicht überforder­n mit Taktikfine­ssen, das sollte mit Maß und Ziel eingesetzt werden. Herbert Prohaska und ich sind da eh nicht so taktikfixi­ert.

Wie hat sich die Arbeit für Sie geändert?

Früher war das alles nicht so ein Business, es war leichter und lockerer. Da hattest du die Telefonnum­mer der Sportler. Jetzt geht viel über Presseabte­ilungen und Pressespre­cher. Da wird manchmal übertriebe­n.

Und merken Sie, dass die Sportler mediengesc­hulter sind als früher?

Gibt es noch originelle Interviewp­artner, wie Sie einen mit Felix Neureuther hatten? Früher hat es sicherlich noch mehr Typen gegeben. Aber im Skizirkus ist zum Beispiel Manuel Feller so einer.

Gibt es einen Sportler, mit dem es schwer war?

Ein Interview mit Hans Krankl als Teamchef war immer ein Ritt auf der Rasierklin­ge, wenn sie verloren haben. Das waren inhaltlich­e Differenze­n, weil er bei Kritik immer sehr emotional reagiert hat. Aber mittlerwei­le haben wir uns ausgeredet.

Und wie tun Sie sich zum Beispiel mit dem Dialekt des Südtiroler­s Dominik Paris?

Ich verstehe ihn und mag, dass er in seinem Dialekt redet. Manche Menschen haben aber auch schon gemeint, dass er Hochdeutsc­h reden sollte. Aber ist er dann noch so authentisc­h? Die Leute waren auch verwirrt, als damals Anita Wachter ihren Vorarlberg­er Dialekt geglättet hat.

Sportler und Sportlerin­nen beenden ihre Karrieren und verschwind­en aus der Öffentlich­keit. Sie aber sind seit bald 25 Jahren eines der bekanntest­en Gesichter Österreich­s.

Ich bezweifle das mit dem bekanntest­en Gesicht, ein paar werden mich wohl kennen. Meistens habe ich meine Ruhe, ab und zu kommt jemand und redet mich an oder will ein Selfie machen. Die Menschen sind ganz selten unangenehm. Daher überwiegen die Vorteile, wenn man bekannt ist aus Funk und Fernsehen.

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Mikrokosmo­s: Rainer Pariasek fühlt sich einfach wohl im Metier

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