Kurier

Der tiefe Schnitt ins Fleisch als erotische Handlung

David Cronenberg­s bizarrer Thriller über wuchernde Organe und Performanc­e-Kunst

- SEI

Crimes of the Future. Was, wenn wir in der näheren Zukunft keinen Schmerz mehr empfinden können? Wo bleibt dann die Lust? Ist dann der Schnitt ins Fleisch – die Chirurgie – der neue Sex?

Was, wenn unsere Körper lernen, Plastik zu verdauen? Lässt sich damit das weltweite Problem von Hunger und Müll lösen? Können wir dann vergnügt Plastikrie­gel verspeisen? Oder sterben wir einen elenden Vergiftung­stod?

Der kanadische Filmemache­r David Cronenberg gilt als charismati­scher Spezialist des Body-Horrors, in seinen Filmen verschmelz­en Fleisch und Maschinen. Schon frühzeitig verwandelt­e er Jeff Goldblum in eine

Fliege oder fusioniert­e Menschen mit Metall, Körper mit neuen Technologi­en.

In seiner neuen, mit Thriller-Elementen durchsetzt­en Zukunftsvi­sion kehrt Cronenberg zum Vintage seiner Bilderwelt­en zurück: In den Körpern der Menschen wuchern neue Organe. Ein Performanc­e-Künstler namens Saul Tenser (Cronenberg-Veteran Viggo Mortensen) macht mit dem „beschleuni­gten Evolutions­syndrom“Karriere: In seinem ächzenden Körper sprießen besondere Exemplare, die er sich vor Publikum von seiner Partnerin Caprice (Léa Seydoux) herausoper­ieren lässt. Der Schnitt ins Fleisch wird zur erotischen Handlung, der Blick ins Körperinne­re zur lustvollen Intimität. In nachtschwa­rzen Séancen versammelt sich ein stöhnendes Publikum in den Kellergewö­lben einer griechisch­en Hafenstadt und verfolgt die spektakulä­ren Eingriffe.

Skurrile Komik bietet das Design organisch geformter Maschinen, die den neuen Körpern beim Essen und Schlafen helfen. Besonders bizarr: Ein sich langsam wiegender „Frühstücks­sessel“, der aussieht wie ein Zahnarztst­uhl mit Tentakeln. Cronenberg hat die Zukunft gesehen: Sie ist Plastik.

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