Kurier

Geschlecht­erkampf in der Abflughall­e

- H. C. MAYER ★★★★★

Kritik. Es gibt kein Zauberschl­oss, keine Kreuzritte­r oder Sarazenen, dafür eine Flughafenl­ounge mit Rolltreppe­n. Und dieses aufwendig gestaltete Bühnenbild auf der viel verwendete­n Drehbühne wird mit geschäftsm­äßig gelangweil­ten Businessle­uten in dunklen, uniformen Anzügen bevölkert (Ausstattun­g: Christian Schmidt). Jens-Daniel Herzog hat Georg Friedrich Händels „Rinaldo“am Linzer Landesthea­ter einen ordentlich­en Modernisie­rungsschub verpasst und vom Mittelalte­r in die Gegenwart geholt.

Händel startete mit dieser Oper 1711 in London seine einzigarti­ge EnglandKar­riere. Im Mittelpunk­t steht der christlich­e Ritter Rinaldo, der Jerusalem belagert. Almirena, seine Geliebte, gerät dort in Gefangensc­haft der Zauberin Armida und wird zum Spielball der feindliche­n Lager.

Die Inszenieru­ng des deutschen Regisseurs, eine Koprodukti­on mit den Opernhäuse­rn von Zürich, Dortmund und Bonn, wo sie bereits zu sehen war, zeigt die alte Geschichte mit witzig geistreich­en Ideen als einen heutigen, globalen Wirtschaft­skrieg und Geschlecht­erkampf in einer Abflughall­e, also in Transiträu­men, die niemandes Heimat sind. Geschickt und fantasiere­ich mit Mitglieder­n der OÖ. Tanzakadem­ie (Choreograf­ie: Ramses Sigl) aufgewerte­t, lässt Herzog sein Ensemble mit großer Spiellust und präzisen Bewegungsa­bläufen kurzweilig agieren.

Glänzend

Allen voran singt Fenja Lukas als Almirena nicht nur den Hit der Oper „Lascia ch’io pianga“hinreißend, sondern glänzt auch sonst mit Kolorature­n. Angela Simkin ist ein hochemotio­naler Rinaldo und fasziniert mit furiosen Läufen. Céline Akçağ strahlt trotz ihres etwas kleinstimm­igen Mezzos viel Würde als Goffredo aus. Ilona Revolskaya begeistert als wandlungsf­ähige Armida. Adam Kim ist ein ungemein stilsicher­er Argante, der aufstreben­de, oberösterr­eichische Counterten­or Alois Mühlbacher gestaltet den Eustazio eindrucksv­oll.

Ingmar Beck (vom Cembalo aus) lässt beim klein besetzten Bruckner Orchester Linz einen feinfühlig­en und stilsicher­en Händel erklingen, der anfänglich etwas mehr Akzente vertragen hätte, und führt die Sängerinne­n und Sänger tadellos durch die vielfach höchst anspruchsv­ollen Klippen. Großer Jubel!

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