Kurier

Sisis falsches Wien lockt echte Touristen

Fremdenfüh­rer. Keine einzige Szene der Netflix-Produktion „Die Kaiserin“wurde in Österreich gedreht. Die Fans besuchen dennoch die Original-Schauplätz­e. Die Fremdenfüh­rer-Szene profitiert davon

- VON ANNA PERAZZOLO

Kaiserin Sisi gehört zu Wien. Und Wien gehört zu Kaiserin Sisi. Zahlreiche Lieder, Theaterstü­cke und Filme beschwören seit mehr als hundert Jahren den Mythos rund um die berühmte Kaiserin Elisabeth von Österreich. Zuletzt etwa auch die Netflix-Serie „Die Kaiserin“, die sich auf Anhieb großer Beliebthei­t erfreute.

Den Hype rund um die Serie bringen die Fans bis nach Wien mit. „Wir merken, dass sich sehr viele Touristen für Sisi-Führungen durch die Stadt interessie­ren“, sagt Gerti Schmidt, Fremdenfüh­rerin und Obfrau dieser Berufsgrup­pe in der Wiener Wirtschaft­skammer. Für viele der Besucher sei es sogar „die Motivation“, die Stadt überhaupt zu besuchen.

Die Sache hat aber einen Haken: Die Netflix-Serie hat gar nichts mit Wien zu tun. Keine einzige Szene der sechs Episoden ist in Österreich – geschweige denn in Wien – gedreht worden. Stattdesse­n hat sich Netflix für die Produktion in unterschie­dlichen Schlössern und Domen in Deutschlan­d eingemiete­t.

Die Kaiserin in Bayern

Die Hochzeit von „Sisi und ihrem Franzl“etwa wurde im Münster St. Georg in Dinkelsbüh­l in Bayern gedreht. Ausgegeben wurde das Münster in der Serie aber als Stephansdo­m. Die Wiener, denen sich Sisi nach der Zeremonie in der Serie präsentier­te, sind nach dieser Logik dann wohl auch keine Wiener – wohl eher Dinkelsbüh­ler.

Aber nicht nur bei der Hochzeitsl­ocation wurde getrickst: Der Hof, an den Sisi in der Serie zieht, ist nicht etwa Schönbrunn, sondern Schloss Weissenste­in in Pommersfel­den – ebenfalls in Bayern. Sowohl die Räume als auch die

Gartenanla­gen des deutschen Schlosses wurden als jene in Wien ausgegeben.

Für die Touristen, die aufgrund der Serie Wien besuchen, mache das aber wenig Unterschie­d, sagt Schmidt. Für sie sei Sisi mit Wien verbunden, weshalb sie sich hier auf die Spuren der Kaiserin begeben wollen – häufig gemeinsam mit Fremdenfüh­rern.

Deren Aufgabe sei es auch, die Trugschlüs­se, die sich aus der Serie ergeben, „zurechtzur­ücken“, sagt Schmidt. Etwa aufzuzeige­n, dass das Münster nicht der Dom und Weissenste­in nicht

Schönbrunn ist. Über diese Schönheits­fehler müsse man als „Guide“, wie sich die Fremdenfüh­rer nennen, aber auch ein bisschen hinwegsehe­n können. „Die Serie motiviert

Die Kaiserin

Die Netflix-Produktion erschien mit sechs Episoden Ende September. Laut Aussendung der Streamingp­lattform hielt sich die Serie fünf Wochen lang in den globalen NetflixTop-10 der nichtengli­schsprachi­gen Produktion­en

Fremdenfüh­rer

gibt es derzeit in Wien. Laut Gerti Schmidt, der Obfrau der Berufsgrup­pe in der Wirtschaft­skammer Wien, wird es in den nächsten Jahren mehr Guides brauchen die Leute, nach Wien zu kommen und damit muss man arbeiten.“Und zwar so, dass die Besucherin­nen und Besucher nicht enttäuscht von den echten Kulissen sind.

Außerdem könne man als Fremdenfüh­rer in Wien in puncto Kaiserin Sisi „durchaus aus dem Vollen schöpfen“, sagt Schmidt. Von Schönbrunn, der Hofburg mit dem Sisi-Museum über die Silberkamm­er mit Sisis persönlich­em Geschirr bis hin zum Wiener Wald, in dem die Kaiserin spazieren ging, gebe es in der Stadt einiges zu sehen.

Dass Wien nicht als Drehort für die Netflix-Produktion gewählt wurde, sei aber schade, vor allem weil sich die Filmlocati­ons in Deutschlan­d nun großer Beliebthei­t erfreuen, sagt Schmidt.

Kleine Gruppen im Trend

Dennoch: Die Situation der Wiener Fremdenfüh­rer sei derzeit mehr als erfreulich – und das nicht nur wegen Sisi, sagt Schmidt. Städtetour­ismus sei hoch im Trend, die Nächtigung­szahlen dementspre­chend gut. Mit rund 1,3 Millionen Gästenächt­igungen erreichte der heurige September rund 85 Prozent des Aufkommens aus dem Vor-Corona-Monat 2019, heißt es von der Stadt. Und der positive Trend sollte sich mit Blick auf die Weihnachts­märkte, für die Wien bekannt sei, durchaus halten, sagt Schmidt.

Der Tourismus befinde sich aber im Wandel: Der Wunsch nach individuel­len und personalis­ierten Reisen steige, sagt Schmidt. Das merken auch die Guides: „Die Gruppen sind nun viel kleiner als früher. Im Durchschni­tt etwa 30 statt 50 Leute.“Aber auch Familien oder Einzelreis­ende würden sich vermehrt den Luxus einer geführten Tour leisten. Die Pandemie habe diesen Trend verstärkt.

„In Zukunft werden wir deshalb mehr Guides brauchen, um die kleinen Gruppen bedienen zu können“, sagt Schmidt. Vor allem dann, wenn Netflix irgendwann eine Sisi-Serie im echten Wien drehen sollte. Eine zweite Staffel ist schließlic­h geplant.

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Statt in Schönbrunn (unten) befindet sich der kaiserlich­e Hof in der Serie im Schloss Weissenste­in
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