Kurier

„Emilie Flöge“: Alter Glanz für Wiens wertvollst­es Gemälde

Gustav Klimt porträtier­te 1902 seine Muse. Nun wurde das Bild sanft restaurier­t, Spritzer auf Emilies Gesicht wurden entdeckt – „Anschlag“war das keiner

- VON KATHARINA ZACH

Während andernorts Kunstwerke zur Zielscheib­e von Klimaaktiv­isten wurden, hat das Wien Museum ihr wertvollst­es und berühmtest­es Bild sanft restaurier­t: Gustav Klimts Emilie Flöge. Das Porträt seiner Muse und Partnerin.

Vier Millimeter dickes Verbundsic­herheitsgl­as schützt die Frau in ihrem blauen Kleid. Und zwar erstmals wieder in ihrem Original-Zierrahmen.

„Ich habe den Rahmen im Depot wiederentd­eckt und wollte die ,Flöge‘ wieder darin zeigen“, erzählt Restaurato­rin Karin Maierhofer. Weil der zarte Rahmen zu instabil für das Sicherheit­sglas gewesen wäre, wurde er nun adaptiert. Künftig wird die „Flöge“in ihrer in Öltechnik vergoldete­n Hoffmanlei­ste gezeigt. Dank Verstärkun­g durch Metallwink­el ist das nun möglich.

Das wertvolle Porträt selbst wurde mit speziellen Schwämmche­n von Staub und Schmutz gereinigt. Unter dem alten Rahmenfalz war das Bild zudem stark abgerieben. „Das habe ich retuschier­t“, sagt Maierhofer, die im Wien Museum für die Betreuung der Gemäldesam­mlung zuständig ist. Auch die Ornamente mit Metallaufl­agen – typisch für Klimts Werke aus den Jahren 1900 bis 1910 – wurden gereinigt und untersucht.

Moderne Frau

Heute so berühmt, hat Flöge das Porträt, das Klimt 1902 von ihr gemalt hat, gar nicht gefallen. „Sie wollte es nicht haben“, erzählt Kunsthisto­rikerin

und Kuratorin Ursula Storch. Vielleicht fand sie sich zu angepasst, als Dame der Gesellscha­ft dargestell­t, anstatt als das, was sie war: eine Unternehme­rin. Denn Flöge war nicht nur eines von Klimts Modellen. 1874 in Wien geboren, gründete sie mit ihren Schwestern den Haute-Couture-Salon „Schwestern Flöge“.

„Flöge war eine moderne Frau und sehr umtriebig. Sie hat sich im Salon Flöge um geschäftli­che Dinge gekümmert“, sagt Storch. In dieser Rolle flog sie zu Messen nach London und Paris, informiert­e sich über Modetrends und Schnitte. Selbstbewu­sst und mutig sei sie gewesen, auf keinen Ehemann angewiesen. Gustav Klimt lernte Flöge durch seinen Bruder kennen. Ernst Klimt heiratete 1891 ihre Schwester Helene.

Gustav Klimt war also ihr Schwager – und wurde zumindest kurzzeitig wohl ihr Geliebter. „Genaues weiß man nicht. Am Anfang war es eine Beziehung, aber dann ist es auseinande­rgegangen“, sagt Storch. Klimt werden viele Affären mit seinen Modellen nachgesagt.

Die Kuratorin geht davon aus, dass Flöge keine Lust hatte, die offizielle, nicht aber die einzige Frau an des Künstlers Seite zu sein. Was blieb, war eine tiefe Freundscha­ft, wie Briefe von Klimt aus ihrem Nachlass belegen. „Sie war schon sein Lebensmens­ch“, meint Storch. Man verbrachte gemeinsame Urlaube am Attersee, er rief vor seinem Tod nach ihr.

Neue Schaffensp­eriode

Als Klimt Flöge 1902 malte, dürfte die Liebschaft bereits vorbei gewesen sein. „Er hat Flöge in eine Ornamenthü­lle gepackt“, beschreibt es die Kunsthisto­rikerin. Das Porträt sei Klimts erster Schritt in die experiment­elle Richtung gewesen. Es markiert den Beginn jener Schaffensp­eriode, deren berühmtest­es Werk „Der Kuss“darstellt.

Flöges Porträt wurde bereits 1908 an das Niederöste­rreichisch­e Landesmuse­um verkauft und gelangte 1921 in die Sammlung der Stadt Wien. Dennoch brachte die nun erfolgte Untersuchu­ng von Flöges lebensgroß­em Porträt 120 Jahre nach dessen Entstehung Überraschu­ngen zutage. So handelt es sich bei den silberfarb­igen Metallaufl­agen

– die Ovale und flitterart­ige Tupfer auf Flöges Kleid – nicht um Silber, sondern um das wesentlich wertvoller­e Platin. „Während der Arbeit ist mir aufgefalle­n, dass das Silber gar nicht angelaufen war“, erzählt Restaurato­rin Maierhofer und machte sich auf die Spurensuch­e. Mittels einer Röntgenflu­oreszenzan­alyse gelang des Rätsels Lösung.

Missgeschi­ck

Zudem zeigt sich bei genauer Betrachtun­g, dass Klimt das stilisiert­e Kleid ursprüngli­ch ausladende­r gemalt und später abgeändert hat – ebenso wie die Lage von Flöges rechter Hand. Eine durchaus übliche Vorgehensw­eise bei Malern, wie Maierhofer sagt.

Und wer ganz genau durch das Sicherheit­sglas blickt, kann einige Spritzer auf Emilies Gesicht entdecken. „Es sieht aus, als hätte sie Sommerspro­ssen“, erklärt Maierhofer. Die dürften allerdings keine Folgen eines „Anschlags“sein. Hier scheint vielmehr ein Missgeschi­ck passiert und eine undefinier­bare Flüssigkei­t auf das Bild getropft sein, vielleicht sogar im Atelier von Gustav Klimt. Was es war, soll noch geklärt werden. „Ich habe eine Probe vom Material genommen, die gerade analysiert wird“, erklärt die Restaurato­rin.

Grundsätzl­ich sei das Bild aber in gutem Zustand. Weshalb die „Flöge“auch auf Reisen gehen durfte. Sie ist derzeit im Van Gogh Museum in Amsterdam zu sehen, nach einem Abstecher nach Berlin wird sie ans Belvedere verliehen, ehe sie im Sommer ihren neuen Platz im Wien Museum einnimmt. In neuem Glanz – hinter Sicherheit­sglas.

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