ORF-Redakteure fordern „glaubwürdigen Neustart“
Gremien-Reform eingefordert – Medienministerin winkt ab
Ein Weiter-so-wie-bisher sei „nicht akzeptabel“. Das betont der ORF-Redaktionsausschuss in einer am Mittwoch veröffentlichten Petition nach seiner Herbsttagung. Die ORF-Journalisten-Vertreter aus TV, Radio und Online reagieren damit auf das Bekanntwerden der Chats zwischen dem damaligen FPÖChef Heinz-Christian Strache und dem vormaligen blauen Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger sowie auf den Austausch zwischen Strache und dem inzwischen zurückgetretenen ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom. Diese würden ein „furchtbares Bild“vom ORF und seinen Mitarbeitern geben.
Der Redaktionsausschuss fordert in seiner Petition eine „offene Diskussion“über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einen „glaubwürdigen Neustart“. Die Journalisten verlangen dazu die geschnell setzliche Neuregelung der Gremienbesetzung (z. B. Ausschreibungen), eine gesicherte, unabhängige ORF-Finanzierung und ein Mehr an Möglichkeiten im Online-Bereich für den ORF. Ein Ziel ist u. a. auch, dass im Stiftungsrat nicht mehr automatisch die Regierungsparteien die Mehrheit haben sollen.
Kritik von Räten
Vom Stiftungsrat her gibt es inzwischen aber Gegenwind. So machte SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer sie in einem Gastkommentar im Mittwoch-KURIER für den Reputationsverlust des ORF durch „Selbstgeißelung“mitverantwortlich. Er fordert „gründliche Aufarbeitung und Konsequenzen“und er will „mehr die Interessen des Publikums in den Vordergrund stellen“.
Eine Reform des 35-köpfigen Stiftungsrates, bei der auch noch die Interessen der Bundesländer zu berücksichtigen wären, dürfte nicht so kommen. Diese „steht nicht im Regierungsprogramm und deshalb nicht zur Debatte“, sagte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) im ORF-„Report“.
Und: „Ich glaube sehr wohl, dass der Stiftungsrat eine unabhängige Aufgabe wahrnimmt und so auch wirkt.“Gleiches gilt für sie für die Arbeit der Journalisten.
Auf Regierungsebene gearbeitet wird laut Raab derzeit an der ORF-Digitalnovelle sowie „an einer Haushalts … äh, äh …reform, einer Finanzierungsreform des ORF“,
so Raab. Ihr Stammeln nährt Spekulationen über die mögliche Einführung einer Haushaltsabgabe. Eine Neuregelung der ORF-Finanzierung
ist nach dem Spruch des Verfassungsgerichtshofes, dass die Streaming-Lücke bis Anfang 2024 zu schließen ist, jedenfalls geboten. Von politischer Seite gilt dem Vernehmen nach, dass es für ORF-Zahler billiger werden muss. Eine Neuregelung muss zuvor aber von der EU geprüft werden, was etwa ein Jahr dauert.
Das erhöht den Zeit- und den wirtschaftlichen Druck auf den seit Jahren auf Sparkurs befindlichen ORF. Immerhin: Laut internem Bericht zum 3. Quartal 2022 ist man wieder auf Kurs zur schwarzen Bilanz-Null. Hauptgründe sind höhere Werbeeinnahmen als erwartet sowie deutlich geringere Sach- und Personalkosten.
Die Aussichten für 2023 sind weniger rosig: Die Werbekonjunktur trübt sich ein, höhere Lebenskosten führen zu mehr Gebührenbefreiungen und Abmeldungen, was jeweils zu Zig-MillionenAusfällen führt. Die Kosten steigen durch die Inflation auch für den ORF, was durch die jüngste Gebührenerhöhung nicht abgedeckt werden kann. Das schürt Ängste vor einem nächsten Sparprogramm samt Personalabbau.