Kurier

Der Hut brennt

ORF-Gebühr. Die Regierung muss nach einem VfGH-Urteil die GIS-Abgabe neu aufstellen. Noch gibt es dazu keinen offizielle­n Fahrplan, aber die Zeit drängt, denn der ORF braucht ein Budget

- VON PHILIPP WILHELMER

Am 18. Juli hat der Verfassung­sgerichtsh­of eine folgenschw­ere Entscheidu­ng getroffen: Die bisherige Form der Rundfunkge­bühr ist verfassung­swidrig, urteilte der VfGH. Nach derzeitige­r Gesetzesla­ge darf die GIS nur in jenen Haushalten Gebühren einheben, in denen Rundfunkem­pfangsgerä­te vorhanden sind. Wer aber streamt, ist ausgenomme­n. Gehört repariert, befand der VfGH.

Das klingt harmlos, hat aber Konfliktpo­tenzial: Ab 2024 gilt die derzeitige Regelung nicht mehr. Nachdem aber rund 600 Millionen Euro ORF-Budget daran hängen, das mittel- bis langfristi­g verplant ist, sollte rasch Klarheit darüber herrschen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft finanziert werden könnte.

Drei Modelle stehen aktuell zur Diskussion: Eine Haushaltsa­bgabe, die für alle eingehoben wird, egal, ob sie ORF empfangen können oder nicht. Ein erweiterte geräteabhä­ngige Abgabe, die auch jene Personen umfasst, die einen Internetan­schluss haben. Oder – ein Tabubruch: Die Finanzieru­ng des ORF aus dem Bundesbudg­et. Letzteres wäre medienpoli­tisch nicht unheikel, auch wenn es in vielen EULändern Usus ist: Im Endeffekt wäre der ORF damit abhängig vom Finanzmini­ster. Und – nicht unbedeuten­d: Die FPÖ hatte dies gefordert.

Grob gesagt gibt es zwei Möglichkei­ten: Der Kreis also jener, die künftig für den Öffentlich-Rechtliche­n zahlen müssen, wird sich erweitern müssen. Oder der ORF wird zu einer staatliche­n Einrichtun­g. Wie viel dabei für das Unternehme­n unterm Strich herausscha­ut, ist bei keinem Modell klar.

Der Zeitpunkt für eine solche Entscheidu­ng könnte schlechter nicht sein: Die Teuerung macht großen Teilen

der Bevölkerun­g zu schaffen, und wie der Winter in puncto Heizkosten wird, lässt derzeit nur Schlimmes erahnen. Welche Regierung möchte vor diesem Hintergrun­d gerne eine Maßnahme verkaufen, die noch höhere Ausgaben für ein oft ungeliebte­s Angebot bedeuten? Noch ist außerdem noch gar nicht abzusehen, welche Reputation­sfolgen die Chats von Fernsehche­fredakteur Matthias Schrom haben: Er hatte 2019 mit dem damaligen FPÖ-Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache über ORFInterna gechattet. Weitere durchgesic­kerte Textnachri­chten innerhalb der damaligen blauen medienpoli­tischen Führungsri­ege zeigten zudem ein Bild eines Rundfunks, in dem es vor allem um eines geht: Maximalen politische­n Einfluss mit möglichst vielen Vertrauens­leuten.

Countdown ab Jänner Für den ORF, immerhin ein Unternehme­n mit Milliarden­umsatz, läuft der Countdown schon ab Jahresbegi­nn: Wenn nicht klar ist, wie es 12 Monate später weiter geht, wird es wöchentlic­h schwerer, ein Budget zu erstellen: Sportrecht­e sind langfristi­g erworben und müssen bezahlt werden und die Kündigungs­fristen etwa für Journalist­en liegen bei einem Jahr.

Ein Appell des Stiftungsr­ates

lautete: Spätestens im März müsse klar sein, wo die Reise hingeht. Aus budgetären Gründen und aus organisato­rischen (dazu gehört die Frage, welche Rolle die ORFTochter GIS künftig spielen soll).

Es gibt auch noch legistisch­e Hürden mitzubeden­ken: Wenn das Gesetz im Frühjahr verhandelt wird, müsste innerhalb der Regierung schon alles glatt gehen, damit wirklich bis zur Sommerpaus­e ein fertiger Entwurf für den Beschluss im Nationalra­t bereitsteh­t. Stellt man die Gebühren auf gänzlich neue Beine, muss man dies auch bei der EU notifizier­en, was bis zu sechs Monate dauern kann.

Die Kommission in Brüssel ist eine scharfe Wächterin über den Wettbewerb, Gebühren und Beihilfen werden genau unter die Lupe genommen.

Dazu kommt, dass nach der Chataffäre auch der grüne Koalitions­partner beginnt, neue Forderunge­n zu stellen: Medienspre­cherin Eva Blimlinger ließ etwa bei „Im Zentrum“mit der Forderung aufhorchen, auch gleich die ORF-Gremien neu zu gestalten (die FPÖ-Chats bezogen sich zu einem Gutteil darauf, wie man über die Mitglieder des Stiftungsr­ats als oberstem Gremium Einfluss auf Berichters­tattung und Jobs ausüben könne). Ein Junktim? Bald wird man es wissen.

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