Ohne Kurz ist die ÖVP nur Mehrheitsbeschafferin
In der ÖVP ticken die Uhren anders als in anderen Parteien. Für satte 75 Prozent ist Sebastian Kurz immer noch glaubwürdig. Je mehr die ÖVP bei Wahlen verlieren, und je tiefer sie bei Umfragen sinken wird, desto größter dürfte die Kurz-Nostalgie werden. Ta sächlich ist die Situation derzeit ähnlich wie 2017: eine starke FPÖ, eine SPÖ, die um den ersten Platz mitkämpft, und eine ÖVP, die dabei ist, unter 20 Prozent zu sinken. 2017 hat die ÖVP das Problem gelöst, indem sie Sebastian Kurz auf den Schild gehoben hat. Der Ausgang des Experiments ist bekannt.
Nun wiederholt sich die Situation von 2017, aber die ÖVP hat keinen Sebastian Kurz zur Hand, der ihre kantigen Asylaussagen in Stimmenzuwachs umzumünzen vermag. Geradezu das Gegenteil ist derzeit der Fall: Als langjährige Innenminister-Partei mit dem Asylproblem nicht fertig zu werden, und das auch noch selbst lautstark zu beklagen, treibt der FPÖ in Scharen die Wähler zu.
Sehr gut möglich, dass sich in dieser Stimmungslage bei der kommenden Nationalratswahl wieder eine rechte Mehrheit im Nationalrat ausgeht, und die Hoffnung auf die Ampel aus Rot, Grün und Neos verglüht. Aber wie will die ÖVP dann eine Rechtsregierung ilden? Als Juniorpartner der FPÖ? Vielleicht gar mit einem Bundeskanzler Herbert Kickl?
Die Verbindungen zwischen ÖVP und FPÖ sind jedenfalls vorhanden, es gibt beispielsweise eine starke Achse zwischen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker
und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz
aus der gemeinsamen Tätigkeit in Wiener Neustadt. Zwar regieren ÖVP und SPÖ in manchen Bundesländern gemeinsam (Tirol, Kärnten, Steiermark), aber das Verhältnis zwischen ÖVP und SPÖ ist dennoch weit von gegenseitiger Wertschätzung entfernt. Zudem ist gar nicht sicher, ob Rot und Schwarz im neuen Nationalrat überhaupt eine gemeinsame Mehrheit haben werden.