Kurier

Frauen ziehen in Europas Chefetagen ein

EU-Gesetz. Ab 2026 müssen 40 Prozent der europäisch­en Aufsichtsr­äte weiblich sein, sonst drohen Unternehme­n Strafen. Mitgestalt­et wurde das Gesetz von einer Österreich­erin

- AUS STRASSBURG INGRID STEINER-GASHI

Bilder von Aufsichtsr­äten, wo nur Herren in dunklen Anzügen am Tisch sitzen, sind selten geworden. Doch bis zu Sitzungen, wo mindestens ein Drittel der Führungskr­äfte in Aufsichtsr­äten oder Vorständen Frauen sind, haben die meisten größeren europäisch­en Unternehme­n noch einen weiten Weg vor sich. Das soll sich nun verpflicht­end ändern.

Das Plenum des EU-Parlaments in Straßburg wird diese Woche endgültige­s Grünes Licht für eine europaweit­e Regulierun­g geben: Dann müssen mindestens 40 Prozent aller Aufsichtsr­atsposten von börsennoti­erten Unternehme­n Frauen sein. „Oder 33 Prozent weibliche Führungskr­äfte in Aufsichtsr­äten plus Vorständen eines Konzerns“, schildert Evelyn Regner, Vizepräsid­entin des EU-Parlaments. „Denn es ist natürlich viel schwierige­r, Frauen in den Vorständen zu positionie­ren, deswegen können sich die Unternehme­n zwischen diesen beiden Möglichkei­ten entscheide­n.“

Es braucht Strafen

Zehn Jahre hat es gedauert, bis sich die Quote auf EUEbene durchsetze­n ließ. Als eine der Initiatori­nnen war die gebürtige Wienerin von Anfang an dabei, und es gab massiven Widerstand. Vor allem Deutschlan­d stand auf der Bremse. „Erst mit dem Regierungs­wechsel in Berlin, hin zur SPD-geführten Ampel, ist die Blockade gefallen. Ex-Kanzlerin Merkel wollte es nie“, sagt Regner.

Warum eine Quote? Freiwillig­e Verspreche­n, die Führungsgr­emien weiblicher zu machen, hätten bisher zu wenig Erfolg geführt, meint die langjährig­e EU-SPÖ-Abgeordnet­e: „Nur wenn es ein verbindlic­hes Recht gibt, tut sich tatsächlic­h etwas.“Das beste Beispiel sieht sie in Frankreich, wo eine 40-Prozent-Frauenquot­e vorgeschri­eben

Evelyn Regner EU-Abgeordnet­e der SPÖ

sei und strenge Strafen festgesetz­t wurden. „Dort wird im Aufsichtsr­atsgremium die Vergütung nicht ausgeschüt­tet, wenn das Ziel der 40 Prozent nicht erreicht ist.“Was schnell zur Folge hatte: In allen französisc­hen Aufsichtsr­äten sitzen nun mindestens 40 Prozent Frauen mit am Tisch.

Bis 2026 müssen die Vorgaben der EU erfüllt sein. Welche Sanktionen sonst verhängt werden, entscheide­t jeder Staat selbst: In Österreich muss ein frei gewordener Aufsichtsr­atsplatz etwa leer bleiben, wenn er wieder nicht weiblich nachbesetz­t wurde. Seit fünf Jahren gilt hierzuland­e eine 30prozenti­ge Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten, derzeit liegt die Marke nach Angaben des EY Mixed-Leadership-Barometers bei 30,2 Prozent.

Damit sei schon einiges erreicht worden, sagt Regner, „aber es gibt noch viel Luft nach oben, besonders in den Vorständen“. Von 189 Vorstandsm­itgliedern in Österreich sind aktuell nur 17 Frauen – magere neun Prozent. Doch die Tendenz zeigt langsam, aber sicher nach oben.

Kulturände­rung nötig

„Wenn es gelingt, die 33 Prozent auch in den Vorständen durchzuset­zen, wäre das eine Kulturände­rung“, sagt Regner. „Und darum geht es ja, eine kritische Masse an Frauen in Spitzenpos­itionen zu bringen. Dann können wir auch versuchen, ein Verhältnis von 50 zu 50 anzupeilen.“Was sich ändern müsse, um mehr weibliche Führungskr­äfte in die überwiegen­d männlichen Chefzirkel zu bringen, sind nach Forderung Regners die Aufnahmeve­rfahren:

Seien diese transparen­t und nachvollzi­ehbar, „verbessert sich auch die Qualität der Unternehme­nsführung insgesamt.“

Doch daran liegt es nicht allein. Allzu oft sind Familie und Beruf für Frauen in einem Posten, wo 50- bis 60Wochenst­unden als normal gelten, schlicht unmachbar. Helen Pelzmann, Verantwort­liche für die Initiative „Women. Fast Forward“bei EY Österreich: „Der größte Hemmschuh für Frauen in Führungspo­sitionen ist noch immer das Umfeld. Es fehlen Lenkungsma­ßnahmen und Modelle, die es möglich machen, Arbeit und Familie besser zu vereinbare­n.“

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Das Umfeld in Führungspo­sitionen macht es Frauen bis heute schwierige­r, Job und Familie zu vereinbare­n

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