Kurier

Erdoğan bombardier­t im Alleingang

Für seine vierte Angriffsop­eration auf kurdische Organisati­onen in Syrien und dem Irak fragte der türkische Präsident nach eigener Aussage weder Russland noch die USA um Erlaubnis

- VON ARMIN ARBEITER

Mit Drohnen, Artillerie und Kampfjets griffen die türkischen Streitkräf­te 89 Ziele in zwei Staaten an – bombardier­ten Hauptquart­iere, Bunker, Höhlen, Munitionsd­epots. Ließen verkünden, „eine große Anzahl an Terroriste­n vernichtet“zu haben. Die „Operation Krallensch­wert“hat begonnen.

Die Pläne für diesen erneuten Angriff auf fremdes Staatsgebi­et liegen seit Längerem bereit – ursprüngli­ch dürfte ihn die türkische Regierung für Juni geplant haben. Mit dem Bombenansc­hlag in Istanbul vom 13. November – sechs Menschen starben – hatte man einen Grund für die Bombardeme­nts auf kurdische Einrichtun­gen in Syrien und dem Irak. Ankara sieht die kurdischen Organisati­onen YPG (in Syrien) und der „Arbeiterpa­rtei Kurdistans“(PKK, die ihr Hauptquart­ier im Irak hat) als Drahtziehe­r des Anschlags – beide bestreiten, daran beteiligt gewesen zu sein.

Dorn im Auge

Dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan ist vor allem die Präsenz der kurdischen „Volksverte­idigungsei­nheiten“(YPG) an 300 Kilometern der türkisch-syrischen Grenze seit Jahren ein Dorn im Auge. In mittlerwei­le vier Angriffsop­erationen nahmen die türkischen Streitkräf­te größere Teile syrischen Staatsgebi­ets ein, wollen insgesamt einen 600 Kilometer breiten und 30 Kilometer tiefen Korridor errichten.

In den bisher errichtete­n Besatzungs­zonen siedelt Erdoğan opposition­elle und geflüchtet­e Syrer an – auch Kämpfer islamistis­cher Terrorgrup­pen. Kampflos überlassen die YPG das Feld allerdings nicht: Am Montag erwiderten kurdische Kämpfer das Feuer, nahmen Ziele in der Türkei und türkische Stützpunkt­e in Syrien unter Beschuss – drei Menschen sollen getötet worden sein.

Militärope­rationen

auf syrischem Staatsgebi­et haben die türkischen Streitkräf­te seit 2016 durchgefüh­rt, der letzte Großangrif­f erfolgte 2019

Die Gegenwehr nahm Erdoğan zum Anlass, laut über eine Bodenoffen­sive nachzudenk­en.

Neues Selbstbewu­sstsein

Pikant dabei: Die YPG gelten in Syrien als enger Verbündete­r der USA im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS), gleichzeit­ig sollen bei den türkischen Bombardeme­nts am Sonntag auch 15 Soldaten der syrischen Armee getötet worden sein, die mit Russland verbündet ist.

„Ich habe weder mit Herrn Putin noch mit Herrn Biden über diese Operation gesprochen“, sagte Erdoğan und unterstric­h damit die neue außenpolit­ische Stärke seines Landes. Im Juni war ein erneuter türkischer Angriff an Russlands Zustimmung gescheiter­t. Mittlerwei­le scheint dies Erdoğan nicht mehr zu kümmern, gilt er doch Putin und Biden als möglicher Vermittler im Ukraine-Krieg. Gleichzeit­ig stehen im kommenden Jahr

Präsidents­chaftswahl­en ins Haus, für die der türkische Präsident angesichts der Wirtschaft­skrise Erfolge im Sicherheit­ssektor vorweisen muss. Auch im Irak bombardier­te die türkische Armee, die seit Jahren Stützpunkt­e im Land unterhält, Ziele in vier Regionen. Seit 2019 gab es immer wieder Angriffe mit Bezeichnun­gen wie „KrallenDon­ner“oder „Krallen-Blitz“auf Kurden im Irak. Am Wochenende bombardier­te auch der Iran kurdische Gebiete.

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